Aufgepasst bei der Qualifikation des Personals: LG Mainz erachtet Medizinstudenten für die Nachtwache als nicht geeignet. Klinik, Chirurg und Medizinstudentin (!) haften.

LG Mainz, Urteil vom 09.04.2014 , 2 O 266/11

Was war passiert?

Die Klägerin hatte sich in einer ärztlich geführten Privatklinik zu einem plastischen Eingriff angemeldet. Im Anschluss an die Operation hatte der Anästhesist der Klägerin noch eine Infusion mit Kochsalzlösung verabreicht – der Rest der Infusion sollte noch durchlaufen. Die Klägerin war wach und orientiert, als man sie auf ihr Patientenzimmer brachte. Dort übernahm abends eine Medizinstudentin im 10. Semester die Nachtwache. Sie war als einzige für diesen Dienst vorgesehen. Die Übergabe erfolgte durch den ebenfalls beklagten Chirurgen; der Inhalt des Gesprächs ist streitig. Möglicherweise kam es bei der Übergabe zu einem Kommunikationsfehler über die Gabe einer Infusion. Anästhesist und Chirurg verließen das Krankenhaus. Die Medizinstudentin infundierte der sich erbrechenden Patientin später eine von ihr aus dem OP herbeigeholte Flasche NaCL. Die durch das darin befindliche Propofol entstandene milchige Färbung beachtete die Studentin nicht. Die Patientin wurde später durch den herbeigerufenen Notarzt reanimiert. Sie liegt seither im Wachkoma.

Die Entscheidung

Das Gericht geht davon aus, dass die Klinik ihre vertraglichen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt habe. Mit der Medizinstudentin habe sie „völlig ungeeignetes Personal als alleinige postoperative Nachtwache beschäftigt„. Dies sei ein Verstoß gegen die „zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards„. Ein Medizinstudent habe zwar theoretisches Wissen, jedoch fehle es „regelmäßig an der praktischen Ausbildung für den Dienst am Patienten„. Nach den Angaben des Sachverständigen sei zu erwarten, dass „von einer medizinischen Hilfskraft u erwarten sei], dass sie, bevor sie eingesetzt werde, über medizinische Folgen ihres Handelns Bescheid wissen müsse, sie müsse ihre Kompetenzen kennen, aber vor allen Dingen müsse sie wissen, was im Notfall zu machen sei„. Auch der Chirurg habe eine derartige Qualifikation bei der Medizinstudentin nicht erwarten dürfen.

Der Studentin warf das Gericht dem Sachverständigen folgend vor, dass eine „im OP zurückgelassene Infusionsflasche mit offenem, also unsterilem Infusionssystem und einem Rest milchig-trüber Verfärbung, mithin unklaren Inhalts, (…) durch eine ausgebildete und qualifizierte Pflegekraft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht noch einmal zur Anwendung am Patienten gekommen“ wäre. Sie hätte den Inhalt der Flasche nicht infundieren dürfen, ohne zu wissen, worum es sich handelt – ein schwerer Fehler. Dahinstehen ließ die Kammer, ob es sich bereits um ein Übernahmeverschulden handelte, überhaupt die Nachwache anzutreten! Denn jedenfalls die Infusion der milchig-trüben Flüssigkeit sei als Behandlungsfehler zu werten.

Einzig der Anästhesist habe darauf vertrauen dürfen, dass die Klinik medizinisches Fachpersonal beschäftige.

Das Verfahren ist noch anhängig. Quelle: Justiz RLP (Link zum Urteil)

Fazit

Klinikbetreiber, Ärzte, aber auch das nicht-ärztliche Personal, einschließlich den Medizinstudenten selbst sollten hinterfragen, ob sie für die von ihnen zu erfüllenden Aufgaben geeignet sind. Andernfalls können Klinikbetreiber und Ärzte aus Organisationsverschulden, das Personal selbst aus Übernahmeverschulden haften.

Bestenfalls erarbeiten Kliniken im Rahmen ihres Risikomanagements Leitfäden und Checklisten für den Einsatz von Medizinstudenten (einschließlich PJlern). Dabei sollten sie auf eine Zusammenarbeit mit Juristen wert legen.


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