Nicht immer stellt die Veräußerung einer Arztpraxis für die dort beschäftigten Mitarbeiter einen Betriebsübergang dar, so das Bundesarbeitsgericht.

BAG – Urteil vom 22.06.2011 – 8 AZR 107/10
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Ein Betriebsübergang ist die Übertragung eines Betriebs oder eines Betriebsteils auf ein anderes Unternehmen. Das kann auch eine Praxis sein. Für den Arbeitnehmer sind Betriebsübergänge mit Risiken verbunden, immerhin wechselt der Arbeitgeber. Betriebs- und Tarifvereinbarungen können sich ändern. Um dem Arbeitnehmer Schutz zu bieten, sichert § 613a BGB dem Arbeitnehmer zu, dass die Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Inhaber übergehen. Eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs ist unzulässig.

Für den Praxiskäufer kann sich der Betriebsübergang jedoch als Nachteil erweisen, insbesondere dann, wenn er die Praxis in kleinerem Rahmen oder mit anderen Mitarbeitern fortführen will. Ein Beispiel wäre, dass der Erwerber bereits über eine bestehende Praxis verfügt und die zu übernehmende Praxis in seine eingliedern will.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte in seinem Urteil fest, dass nicht jeder Praxisverkauf zugleich einen Betriebsübergang darstellt. Geklagt hatte eine Arzthelferin einer internistischen Praxis. Im konkreten Fall veräußerte die Abgeberin die Praxis an eine andere Internistin in einer mehrere Kilometer entfernten Stadt. Die Praxisräume nebst Praxisinventar gab sie vollständig auf.

Die Arzthelferin hätte – so das BAG – darlegen müssen, dass ein Betriebsübergang in ihrem Fall vorlag. Indizien hierfür wären gewesen:

  • Art des Betriebs
  • Übergang materieller Betriebsmittel
  • Übergang immaterieller Betriebsmittel
  • Grad der Ähnlichkeit der Betriebe
  • Weiterbeschäftigung der Belegschaft
  • Übergang von Patienten und Lieferanten
  • Dauer einer Betriebsunterbrechung

Die Praxis der abgebenden Ärztin habe jedoch die Käuferin vorliegend nicht als wirtschaftliche Einheit fortgeführt. Zwar erschöpfe sich der Betriebsübergang nicht im Übergang der materiellen Betriebsmittel. Auch die Organisation der von einem einzelnen Arzt betriebenen Praxis einschließlich seines Personals könne einen übergangsfähigen Betrieb darstellen. Beides habe diese jedoch nicht übernommen.

Worauf sollten Sie achten

Praxisveräußerer und Praxiserwerber sollten sich nicht allein auf dieses Urteil – das einen konkreten Einzelfall betrifft – stützen! Informieren Sie sich zwingend und vor allem rechtzeitig über Informationspflichten und Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs. Überlassen Sie die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen eines Betriebsübergangs ihrem Anwalt.