Die gerichtliche Überprüfung verwaltungsrechtlicher Auswahlverfahren im Rettungsdienst kann sich durchaus lohnen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte sich in einer Entscheidung über Auswahl und Vergabe von Dienstleistungskonzessionen im Bayerischen Rettungsdienst zu befassen. Ganz ohne gerichtliche Prüfung geht es auch nach der Novellierung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes 2022 auch bei der Vergabe nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen nicht.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 26. Juli 2024 – 12 CE 24.1067

Die Beteiligten stritten über die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen für zwei Krankentransportwägen im Bereich eines Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF). Die Entscheidung ist auch auf die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen im Bereich der Notfallrettung übertragbar.

Der Zweckverband schrieb zwei Notarzt-Einsatzfahrzeuge (NEF) und zwei Krankentransportwägen (KTW) an vier Standorten im Rettungsdienstbereich aus. Mehrere Bieter, darunter auch eine als Gesellschaft bürgerlichen Rechts /GbR) agierende Bietergemeinschaft, gaben Angebote ab. Beanstandet wurde unter anderem, dass die Bieter-GbR in der Lage gewesen wäre, jeder für sich ein Angebot abzugeben. Streitgegenständlich waren nur die Lose für den Krankentransport.

Vergabe von Rettungdienstleistungen (Bayern)

Zunächst bestätigte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass das Auswahlverfahren für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen an gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen ist in Bayern auch nach der Novellierung durch das Gesetz zur Änderung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes und des Bayerischen Krankenhausgesetzes vom 22. April 2022 (GVBl. 2022, 132) ausschließlich verwaltungsrechtlich ausgestaltet ist. Dies begründe sich durch die so genannte Bereichsausnahme nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB, demnach das Auswahlverfahren für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen an gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen nicht vor den Vergabekammern, sondern ausschließlich vor den Verwaltungsgerichten zu prüfen sei.

Ob die Bereichsausnahme nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB grundsätzlich bundesweite Anwendbarkeit findet, wie es der Entscheidung des OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 22.03.2023 – VII Verg 28/22 unterstellt wird, sei dahingestellt. Diese Auffassung scheint unter Berücksichtigung der Gesetzgebungskompetenzen zumindest verfassungsrechtlich bedenklich, könnte doch damit der Bund Einfluss auf die Auswahl der Durchführenden bzw. Leistungserbringer nehmen. Damit hatte sich der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht zu befassen.

Rechtsmittel gegen die Vergabe

Bekanntgegeben wird die zugunsten eines Bewerbers und zulasten der übrigen Mitbewerber ausgefallene Auswahlentscheidung im Rahmen der so genannten Vorabinformation.

Die Vorabinformation ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ein janusköpfiger Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 BayVwVfG, der die Begünstigung eines Bewerbers mit der Belastung der nicht zum Zuge gekommenen Konkurrenten kombiniere (Rn. 24). Die Entscheidung könne durch eine verdrängende Konkurrentenklage angegriffen werden; dabei handele es sich um eine Kombination aus einer Anfechtungsklage, gerichtet auf die Beseitigung der (rechtswidrigen) „Vergabe“ an den Konkurrenten, und einer Verpflichtungsklage, gerichtet auf die „Vergabe“ an sich selbst (Rn.25).

Einer gegen die Auswahl eines Konkurrenten erhobenen Anfechtungsklage komme dabei aufschiebende Wirkung zu, die den Antragsgegner (Zweckverband) von Gesetzes wegen dazu verpflichte, die angefochtene Auswahlentscheidung durch Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht zu vollziehen (Rn. 26). Die Vergabe erfolgt in Bayern in einem zweistufigen Verfahren: Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung trifft zunächst unter den Bietern eine Auswahlentscheidung, bevor er durch den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags („Zuschlag“) die Beauftragung umsetzt.

Verfahrensmängel

Darüber hinaus vermutete der Senat auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung. Als problematisch und gegebenenfalls unwirksam erwies sich insoweit der Beschluss der Verbandsversammlung aufgrund der Mitwirkung eines persönlich Beteiligten.

Fragwürdige Bietergemeinschaft

Weitere Bedenken äußerte der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der getroffenen Auswahlentscheidung zugunsten einer horizontalen Bietergemeinschaft; ein möglicher Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 GWB sei nicht ausgeschlossen. Anerkannt sei, dass der Zusammenschluss zweier Bieter, die jeder für sich in der Lage wären, ein Angebot abzugeben, zu einer Bietergemeinschaft auch in einem verwaltungsrechtlichen Vergabeverfahren eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellen könne, Rn. 36.

Bilden zwei hinreichend leistungsfähige Unternehmen, die hinsichtlich des Leistungsgegenstandes der Ausschreibung in Konkurrenz stehen, eine Bietergemeinschaft, kann dies die Vermutung einer unzulässigen wettbewerbsbeschränkenden Absprache begründen. Diese wäre von den beteiligten Unternehmen zu entkräften. Sollen damit die Chancen auf einen Zuschlag gesteigert oder lediglich Synergien erzielt werden, könne eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Absprache bestehen.

Privilegierung gemeinnütziger Organisationen

Nicht geprüft hat das Bayerische Verwaltungsgerichtshof, ob die Beschränkung der Auswahlverfahren auf gemeinnützige Organisationen und damit deren Privilegierung gegenüber anderen, nicht gemeinnützigen Unternehmen einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält. Offen bleibt, ob das Bayerische Rettungsdienstgesetz seit der Novellierung 2022 die durch die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs mit Urteil vom 24.05.2012, Vf . 1 – VII – 10 vorgegebenen Voraussetzungen zur Privilegierung einer bestimmten Leistungserbringergruppe erfüllt. Eine Entscheidung dazu steht aus. Nach diesseitigem Dafürhalten bestehen gegenüber der Privilegierung gemeinnütziger Organisationen selbst unter Zuhilfenahme der Begründung des Gesetzesentwurfs verfassungsrechtliche Bedenken.

Fazit und Empfehlung

Die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verdeutlicht erneut, wie komplex sich die rechtliche Materie rund um die Auswahl von Leistungserbringern im Rettungsdienst – sowohl in der Notfallrettung als auch im qualifizierten Krankentransport – darstellt. Die Kenntnis der Gesetzestexte allein genügt nicht. Vielmehr sind neben praktischer Erfahrung auch Kenntnisse der bundes- und europaweiten Rechtsprechung im Rettungsdienstrecht durchaus empfehlenswert. Bieter wie öffentliche Auftraggeber sollten die Entwicklung aufmerksam verfolgen und gegebenenfalls Rat bei im Rettungsdienstrecht spezialisierten Kanzleien einholen.

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