Die Verwendung von Tragstühlen in anderen als Krankenkraftwagen nach DIN1789 ist nicht unumstritten. Die Verwendung in Mietwagen kann unzulässig sein.

Begriff Tragstuhl

Die Bezeichnung Tragstuhl bzw. Tragestuhl ist nicht geschützt. Dem Grunde nach handelt es sich um ein Hilfsmittel zum Transport von Patienten, die selbst nicht bzw. nur eingeschränkt gehfähig sind. Die DIN EN 1865-1 – 2015-08 Krankentransportmittel im Krankenkraftwagen – Teil 1: Allgemeine Krankentragesysteme und Krankentransportmittel unterscheidet zwischen einer Stuhltrage sowie einem klappbarem und nicht-klappbaren Tragesessel.

Der Tragesessel wird meist in Kombination mit einer Bodenhalterung angeboten. So kann der Tragesessel während der Fahrt im Fahrzeugboden verankert werden.

Tragstühle sind keine Rollstühle. Vielmehr handelt es sich bei den Tragstühlen um besondere Ausstattungsgegenstände eines Krankenkraftwagens nach der DIN 1789.

Tragstuhl als Medizinprodukt

Medizinische Tragstühle bzw. klappbare wie nicht-klappbare Tragesessel und Stuhltragen im Sinne der DIN 1865-1 sind Medizinprodukte. Die Verwendung während der Fahrt in Mietwagen, die keine Krankenkraftwagen sind, kann unzulässig sein. Mietwagen müssen allerdings qua Personenbeförderungsgesetz (PBefG) Personenkraftwagen sein, § 49 Abs. 4 Satz 1 PBefG.

Das Oberlandesgericht Hamm hatte bereits in seinem Urteil vom 24.06.2021 – 4 U 184/20wie berichtet – eine richtungsweisende Entscheidung zur Nutzung von Medizinprodukten, dort Krankenfahrtragen, in Mietliegewagen getroffen. Geklagt hatte ein genehmigtes Krankentransportunternehmen aus Nordrhein-Westfalen (NRW) gegen einen Mietwagenunternehmer. Letzterer betrieb mit seinen Mietliegewagen Krankenfahrten bzw. Patientenbeförderungen. Dafür besaß er eine Genehmigung nach § 49 Personenbeförderungsgesetz (PBefG). Eine Genehmigung nach § 17 RettG für Krankentransporte hatte der Taxi- und Mietwagenbetreiber nicht. Das OLG Hamm gab der Klage des Krankentransportunternehmers auf Unterlassung recht.

Nun scheinen Krankentransportunternehmer auch Tragstühle in’s Visier zu nehmen.

Medizinproduktebetreiberverordnung

Betreiber von Medizinprodukten haben die Vorgaben der Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung – MPBetreibV) zu beachten. Das gilt auch für Mietwagenunternehmer, die Medizinprodukte einsetzen.

Medizinprodukte dürfen nach § 4 Abs. 1 MPBetreibV nur ihrer Zweckbestimmung entsprechend und nach den Vorschriften der MPBetreibV sowie den allgemein anerkannten Regeln der Technik betrieben und angewendet werden.

  • Betreiber und Anwender müssen sicherstellen, die Medizinprodukte auch entsprechend der Gebrauchsanweisung zu verwenden. Unzulässig wäre es, wenn nur eine Person den Tragstuhl nutzt, obwohl die Gebrauchsanweisung zwei Personen vorsieht.
  • Zudem müssen die Anwender auch in die Anwendung der Medizinprodukte nach Herstellerangaben eingewiesen sein. Medizinprodukte dürfen nur von Personen betrieben oder angewendet werden, die die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung besitzen, § 4 Abs. 2 MPBetreibV.
  • Die meisten Tragstühle sind zudem zur Verwendung in Krankenkraftwagen vorgesehen; das kann eine Verwendung in Personenkraftwagen und anderen Kraftfahrzeugen ausschließen.

Tragstuhl und Abmahnung

Mietwagenunternehmern droht bei fehlerhafter Verwendung der Tragstühle eine kostenpflichtige (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG) Abmahnung nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Mietwagenunternehmer sind dabei in der Regel als Mitbewerber von Krankentransportunternehmen im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG zu qualifizieren, da sie ebenfalls Patienten im Rahmen von Krankenfahrten befördern und stehen damit mit diesen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis.

§ 4 Abs. 1 und 2 MPBetreibV verfolgen den Zweck, jedenfalls auch die Gesundheit und Sicherheit der mit Medizinprodukten bestimmungsgemäß in Berührung kommenden Patienten vor den typischerweise hiermit einhergehenden Gefahren für ihre Gesundheit und Sicherheit zu schützen. Diese Interessen werden auch gerade durch die Marktteilnahme, also durch die Inanspruchnahme der Transportdienstleistungen berührt. § 4 Abs. 1 und 2 MPBetreibV sind Marktverhaltensregeln i. S. v. § 3a UWG, vgl. OLG Hamm, Urteil vom 24.06.2021, Az. 4 U 184/20.

Ordnungswidrigkeiten

§ 17 MPBetreibV führt zudem einige Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Anwendung von Medizinprodukten auf, die vor allem die Betreiber kennen und vermeiden sollten.

Weitere Risiken

Die fehlerhafte Verwendung von Tragstühlen kann zu weiteren Risiken führen.

Bauartzulassung in Kraftfahrzeugen

Auch die Verwendung der Tragstühle als Sitz in Kraftfahrzeugen kann unzulässig sein, wenn bauartzugelassene Rückhaltesysteme und Sitzgurte fehlen.

Fehlt es an einer Bauartzulassung der Sitzgurte bzw. des Rückhaltesystems kann dies zu Problemen mit der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) und der Gurtpflicht nach der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) führen. Sicherheitsgurte und andere Rückhaltesysteme in Kraftfahrzeugen bedürfen als Fahrzeugteile einer Bauartgenehmigung nach § 22a Abs. 1 Nr. 22 StVZO. Nach § 35a Abs. 4 StVZO müssen Sicherheitsgurte und Rückhaltesysteme den im Anhang der StVZO genannten Bestimmungen entsprechen. Diese enthalten einen Verweis auf die Richtlinie 77/541/EWG mit nachfolgenden Änderungen, so dass die gemeinschaftsrechtlichen Begriffsbestimmungen unmittelbar auch für das nationale Recht gelten. Ein Rückhaltesystem ist dabei definiert als ein System, das einen durch geeignete Mittel an der Fahrzeugstruktur befestigten Sitz und einen Sicherheitsgurt umfasst, für den zumindest eine Verankerung an der Sitzstruktur angebracht ist.

Haftungsrisiken

Schäden bei Patienten aufgrund fehlender Einweisung in die Medizinprodukte können zu zivil- und strafrechtlichen Ansprüchen gegen Betreiber wie Anwender führen. Auch der Versicherungsschutz kann verloren gehen, wenn der Unternehmer in einem nicht versicherten Bereich tätig wird. Da darüber hinaus bei fehlender Einweisung und fehlender Betriebserlaubnis der Arbeitsschutz gefährdet sein kann, ist auch ein Regress der Unfallversicherer gegen den Arbeitgeber nicht ausgeschlossen.

Gesetzgeber gefordert

Die teils hohen Anforderungen an qualifizierte Krankentransporte verleiten zum Etikettenschwindel. Manchmal sieht es aus wie Krankentransport, heißt möglicherweise sogar Krankentransport, ist aber nur unqualfizierte Krankenfahrt. Was noch zulässig ist, unterscheidet sich dabei von Bundesland zu Bundesland. Eine eindeutige Abgrenzung ist aber wichtig, um Risiken zu vermeiden. Denn der Graubereich der Krankenfahrten erweist sich nicht nur für Patienten wie Unternehmer als riskant, er bietet auch Gelegenheit für strafbare Handlungen, ob bewusst oder unbewusst.

Ob die hohen Anforderungen eines Krankentransports tatsächlich immer nötig sind, steht auf einem anderen Blatt. Mietwagenunternehmern sollten Alternativen zu Tragstuhl- und Liegendfahrten prüfen. Der Gesetzgeber hat es letztlich in der Hand, durch eine Anpassung der Beförderungsarten auch neuartige Beförderungskonzepte zu ermöglichen; Auch aus Wirtschaftlichkeitsgründen wäre das erstrebenswert.

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