Bayerisches Landessozialgericht zur Teilnahme von Vertragsärzten und MVZ am ärztlichen Bereitschaftsdienst – unabhängig von der jeweiligen Fachrichtung – Beschluss vom 24.07.2015.

Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 24. Juli 2015 – L 12 KA 55/15 B ER –, juris

Das Bayerische Landessozialgericht (LSG Bayern) hat entschieden, dass Vertragsärzte mit vollem und hälftigem Versorgungsauftrag, Jobsharing-Partner und zugelassene Medizinische Versorgungszentren gleichermaßen zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet sind. Das trifft auf jeden Vertragsarzt und jedes Medizinische Versorgungszentrum zu – unabhängig von der jeweiligen Fachrichtung. Sie sind grundsätzlich alle zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst geeignet. Weder das ärztliche Berufsrecht noch das Vertragsarztrecht kennen hierbei einen Befreiungstatbestand, der aufgrund der langjährigen spezialisierten Tätigkeit zu einer dauerhaften Befreiung von der Teilnahme am Notdienst führe.

Im konkreten Fall geklagt hatte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie betreibt ein zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassenes MVZ mit den Fachrichtungen Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie. Auch dieses sollte zum hausärztlichen Bereitschaftsdienst nachts, an Wochenenden und Feiertagen herangezogen werden. Der Hinweis, dass die im MVZ tätigen Ärzte seit Jahren nicht mehr hausärztlich tätig und damit für den Hausbesuchsdienst überhaupt nicht geeignet seien, fruchtete nicht.

Kommentar

Juristisch mag die Argumentation zutreffen; praktisch ist das Heranziehen von Ärzten jeglicher Fachrichtungen zum ärztlichen Bereitschaftsdienst die denkbar schlechteste Lösung. Das Problem ist offensichtlich: Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist nicht attraktiv, teilweise riskant und zu gering vergütet – ungeeignete oder auch nur unwillige Ärzte zwangsweise zu verpflichten, löst aber nicht das Problem.

Dadurch dass neuerdings auch ärztliche Psychotherapeuten, Neurologen und Pathologen zum ärztlichen Hausbesuchsdienst herangezogen werden, gewinnt der Bereitschaftsdienst zwar an Quantität, nicht aber an Qualität. Psychotherapeuten sind seit Jahrzehnten nicht mehr somatisch tätig. Und auch der Pathologe trifft in seiner Praxis selten auf unklaren Husten oder akute Bauchschmerzen. Im Zweifel weisen die „neuen Hausärzte“ ihre Patienten daher in die Klinik ein. Im Rettungsdienst mehren sich die Beschwerden über fragliche Krankenhauseinweisungen, die Notaufnahmen sind überfüllt. Das Problem verlagert sich.

Ärzte fühlen sich zunehmend gegängelt. Mir selbst sind Mediziner bekannt, die ihren ärztlichen Beruf nicht mehr ausüben oder ihr Glück im Ausland versuchen. Unternehmen bieten eine meist bessere Vergütung und angenehmere, familienfreundlichere Arbeitszeiten. Die Fahrzeiten in die Schweiz oder nach Österreich sind von München aus überschaubar, die Lebensqualität ist höher. Durch Bereitschaftszwang gewinnt der Arztberuf in Deutschland kaum an Attraktivität.

Anstatt den Ärztemangel juristisch auszufechten, sollten sich die Beteiligten andere Lösungsstrategien überlegen. Dazu gehört auch Offenheit für neue Ideen.