Das Bundessozialgericht hat heute eine für alle Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen empfindliche Entscheidung zum ärztlichen bzw. zahnärztlichen Bereitschaftsdienst getroffen. Zahn/Ärzte, die am Notdienst teilnehmen, sind in dieser Funktion nicht zwingend selbständig tätig.

SG Stuttgart, 8. September 2020, S 7 BA 108/20, Urteil
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Juli 2021 – L 11 BA 3136/20
Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Oktober 2023 – B 12 R 9/21 R

Sachverhalt

Geklagt hatte ein Zahnart, der als so genannter „Pool-Arzt“ im Notdienst tätig war. Nach dem Verkauf seiner Zahnarztpraxis war er nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Bei dem Notdienst handelte es sich um seine einzige berufliche Tätigkeit. Der Kläger übernahm während des gesamten Zeitraums pro Monat durchschnittlich dreimal den Wochenendnotdienst. Die zahnärztliche Notdiensttätigkeit fand in Räumlichkeiten statt, die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg angemietet und durch diese mit Geräten und Material ausgestattet waren. Der Notdienst wurde durch an der zahnärztlichen Versorgung teilnehmende Zahnärzte sowie auch durch nicht zugelassene Zahnärzte – wie den Kläger – auf Basis der Notfalldienstordnung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KZV BW) durchgeführt.

Die Verteilung der Schichten erfolgte entsprechend den angegebenen Wünschen des Klägers. Aufgrund der Rückmeldung des Klägers wurde von der KZV BW ein Dienstplan erstellt und dem Kläger bekannt gegeben. Mit der Bekanntgabe des Dienstplans wies die KZV den Kläger darauf hin, „dass die Dienste, für die Sie eingeteilt wurden, so wahrzunehmen sind. Daher sind Tausche untereinander abzuklären und der KZV schriftlich bekannt zu geben“. Während einer Schicht waren neben dem Kläger ein bis zwei zahnmedizinische Fachangestellte anwesend, die Assistenz- und Dokumentationstätigkeiten ausführten und zum Großteil auf Minijobbasis tätig werden. Die KZV betrieb dazu ein Notdienstzentrum, in dem sie personelle und sächliche Mittel zur Verfügung stellte. Der Zahnarzt rechnete seine Leistungen nicht individuell patientenbezogen ab, sondern erhielt ein festes Stundenhonorar. Die Vergütung richtete sich nach der jeweiligen Schicht und lag pro Stunde zwischen 34,00 € und 50,00 €.

Nachdem es zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu Unstimmigkeiten in Bezug auf Behandlungsmodalitäten gekommen war und sich der Kläger in der Folge weigerte, eine persönliche Erklärung zu einzelnen Behandlungsinhalten zu unterzeichnen, setzte die KZV ihn zu keinen weiteren Notfalldiensten mehr ein.

Verfahrensgang und Entscheidung

Das Landessozialgericht hatte die Klage ebenso wie zuvor das Sozialgericht zurückgewiesen und den Kläger auch aufgrund der Besonderheit des Sicherstellungsauftrags der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen als selbständig tätig angesehen. Das Bundessozialgericht sieht die Angelegenheit anders. Es hat damit der Klage des Zahnarztes stattgegeben (Aktenzeichen B 12 R 9/21 R).

Ein Honorararzt gehe nach Auffassung des Bundessozialgerichts nicht deshalb automatisch einer selbstständigen Tätigkeit nach, weil er an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnimmt. Allein die Teilnahme am vertragszahnärztlichen Notdienst zwingt also nicht automatisch zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Vielmehr ist auch dann eine Gesamtabwägung der konkreten Umstände vorzunehmen. Maßgebend sind – wie bei anderen Tätigkeiten auch – die konkreten Umstände des Einzelfalls.

Danach war der Kläger wegen seiner Eingliederung in die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung organisierten Abläufe beschäftigt. Hierauf hatte er keinen entscheidenden, erst recht keinen unternehmerischen Einfluss. Er fand eine von dritter Seite organisierte Struktur vor, in der er sich fremdbestimmt einfügte. Auch wurde der Kläger unabhängig von konkreten Behandlungen stundenweise bezahlt. Er verfügte bereits nicht über eine Abrechnungsbefugnis, die für das Vertragszahnarztrecht eigentlich typisch ist. Dass der Kläger bei der konkreten medizinischen Behandlung als Zahnarzt frei und eigenverantwortlich handeln konnte, fällt nicht entscheidend ins Gewicht. Infolgedessen unterlag der Zahnarzt bei der vorliegenden Notdiensttätigkeit aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht.

Anmerkungen

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts ist zum heutigen Stand noch nicht veröffentlicht. Die Angaben beruhen auf den Feststellungen des Landessozialgerichts und dem Terminbericht bzw. der Pressemitteilung des Bundessozialgerichts. Eine abschließende Bewertung ist bis zur Veröffentlichung der Urteilsgründe des Bundessozialgerichts nicht möglich.

Dennoch lässt sich bereits jetzt ableiten, dass die konkreten Umstände des Einzelfalls auch zukünftig für die Beurteilung der Statusfeststellung wesentlich sind. Eine pauschale Beantwortung verbietet sich, auch für die Clearingstelle.

Auftraggeber sollten stets den konkreten Ablauf ihrer Tätigkeiten im Blick haben. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nun einmal eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Bei freien Mitarbeitern sollten Sie rechtzeitig einen Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus in Erwägung ziehen; das gilt auch bei Anpassungen der Arbeitsabläufe.