Gründer und StartUps bereichern vor allem das Gesundheitswesen mit zahlreichen interessanten Innovationen. Ob patientenindividuelle CAD-Berechnungen und medizinischer 3-D-Druck, Simulation, Virtualisierung, Telemedizin oder Online-Beratung. Dabei müssen vor allem Unternehmen im Gesundheitswesen zahlreiche gefährliche rechtliche Gewässer umschiffen und die Finanzierung sicherstellen. Mit dem richtigen Gründungswissen ist das allerdings auch möglich.

Beispiel: Fernbehandlung

Einige nichtärztliche Unternehmen forcieren die digitale „Behandlung“ im Internet. Sie bieten online Services rund um medizinische Informationen, Vermittlung und Beratung. Dieses Betätigungsfeld haben selbst Krankenkassen (Beispiele im Vergleich verschiedener Gesundheits-Apps) und Kassenärztliche Vereinigungen (z.B. Docdirect) bereits für sich entdeckt.

Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob Nichtärzten diese Tätigkeit überhaupt gestattet ist. Denn die Heilbehandlung bedarf der Approbation oder der Erlaubnis. Die Abgrenzung zu anderen Tätigkeiten ist fließend und nicht selten agieren die Unternehmen mit ihren innovativen, teils KI-unterstützten Chatbots, Diagnose- und anderen Apps in einer rechtlichen Grauzone. Für sie ist daher auch ein Mitwirken von Ärzten von Interesse, sei es als Angestellte, freie Mitarbeiter, Gesellschafter oder durch die bloße Vermittlung der ärztlichen Leistung. Welche Beteiligungsmöglichkeiten und Rechtsformen zulässig sind, richtet sich dann mitunter nach den Heilberufegesetzen und Berufsordnungen der Länder.

Doch selbst wenn Ärzte hinter den Angeboten agieren, ist deren Tätigkeit unklar. Ärzten war die bloße Fernbehandlung nach der Berufsordnung untersagt. § 7 Abs. 4 der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) in seiner neuen Fassung öffnet die Fernbehandlung langsam. Leider haben sich die Kammerbezirke noch nicht sämtlich mit dieser Möglichkeiten befasst, geschweige denn sie umgesetzt. Es besteht deutschlandweit ein Flickenteppich. Die berufsständische Vertretung sperrt sich teils gegen eine Öffnung. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten stellt sich demgegenüber die Frage, ob das Fernbehandlungsverbot in den Berufsordnungen weiter aufrecht erhalten bleiben kann.

Doch selbst wenn das Berufsrecht die Fernbehandlung zulässt, so muss sich der Arzt im Einzelfall entscheiden, ob und in welchem Umfang er die Fernbehandlung leisten kann. Zudem sollten sie den Deckungsumfang der Versicherung klären.

Daneben sind zahlreiche weitere rechtliche Aspekte zu beleuchten, die auch die Gesundheitsunternehmen betreffen können. Nach § 9 HWG gilt eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung) als unzulässig. § 4 Abs. 1 AU-RL setzt einen Untersuchungsvorbehalt für die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen voraus. Die Verordnung von Arzneimitteln ist – von Ausnahmefällen abgesehen – nach § 8 Abs. 2 AM-RL (Arzneimittelrichtlinie) nur zulässig, wenn sich der behandelnde Arzt von dem Zustand der oder des Versicherten überzeugt hat oder wenn ihnen der Zustand aus der laufenden Behandlung bekannt ist. Dies gilt entsprechend für die Verordung weiterer Hilfsmittel, § 15 Abs. 2 BMV-Ä. Die Aufzählung ist nicht abschließend.

Gesundheitsdaten und Datenschutz

Dann bliebe noch zu beachten, dass bei Gesundheitsdaten meist besondere Kategorien personenbezogener Daten verarbeitet werden. Diese genießen nicht nur nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einen besonderen Schutz. Die vertragliche Gestaltung bzw. die formellen Anforderungen an die Verarbeitung bedürfen daher einer besonderen Prüfung. Startups sollten die Zulässigkeit der Datenverarbeitung frühzeitig klären; spätestens beim erhofften Exit wird die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben im Rahmen der Due Dilligence zu bewerten sein.

Medizinprodukte

Vielen ist nicht bewusst, dass ihr Produkt möglicherweise doch besser als Medizinprodukt und nicht als Fun- oder Lifestyle-Produkt zu kategorisieren ist. Medizinprodukte sind Produkte mit medizinischer Zweckbestimmung, die vom Hersteller für die Anwendung beim Menschen bestimmt sind. Darunter kann auch Software fallen. Für Medizinprdoukte bestehen wieder zahlreiche besondere Bestimmungen, unter anderem zu Konformität und Heilmittelwerbung. Wer Medizinprodukte aus dem Ausland bezieht, sollte sich der möglichen Stellung als Importeur und Hersteller und der darauf resultierenden Haftungsrisiken bewusst sein.

Gesundheitsleistungen aus dem Ausland

Und während in Deutschland die Berufs- und Standespolitiker noch über die Zulässigkeit streiten, wird sie längst angeboten. Im Ausland erweist sich der Gesundheitsmarkt vielfach liberaler. Die rechtlichen Rahmenbedingungen gestatten vor allem digitalen Unternehmen weitaus mehr Möglichkeiten als in Deutschland. Doch auch das Ausweichen in das Ausland ist nicht immer das Mittel der Wahl, jedenfalls dann nicht, wenn man die Leistungen auf dem deutschen Markt anbieten will. Ausländische Versandapotheken beschäftigen sich mit dem deutschen Arzneimittel- und dem Apothekengesetz, Internetmediziner mit dem deutschen Fernbehandlungsverbot oder dem was davon noch besteht.

Dass innovativen Ideen trotz aller Widrigkeiten auch in Deutschland der Start gelingen kann, zeigen zahlreiche Unternehmen, denen der Start gelungen ist. Dabei unterstützt werden sie durch zahlreiche Förderprogramme des Bundes, der Länder und privater Institute. Zu nennen sind an dieser Stelle nur beispielhaft Exist, der Seedinvestor High-Tech Gründerfonds (HTGF), der INVEST – Zuschuss für Wagniskapital, das German Accelerator Program, der Digitalbonus Bayern oder der Digitalbonus Niedersachsen. Da manche Förderprogramme bereits vor Gründung ansetzen, empfehlen wir frühzeitig einen Fördermittelcheck.


Dr. Andreas Staufer ist Fachanwalt für Medizinrecht und Informationstechnologierecht. Er beschäftigt sich mit dem Recht Neuer Technologien, vor allem im Gesundheitswesen.