Eigentlich ist im Rettungsdienst alles wie gewohnt: Gesetzlich Versicherte legen die Versicherungskarte vor; privat Versicherte erhalten eine Rechnung und reichen diese bei ihrer Versicherung ein. Manchmal erhalten aber auch gesetzlich versicherte Patienten Post vom Rettungsdienst. Warum? Und warum Kassenverhandlungen mitunter schwierig sind.
Abrechnung Rettungsdienst und Kostenträger
Rettungsdienst ist Ländersache; jedes Bundesland trifft eine individuelle gesetzliche Regelung über Durchführung und Finanzierung des Rettungsdienstes. Die möglichen Konstellationen sind daher vielfältig – meist mit Anlass zum (Rechts-)streit:
- Erbringen die Rettungsdienstträger – meist Städte und Gemeinden – den Rettungsdienst selbst, erlassen sie meist Gebührensatzungen. Die Gebühren rechnen sie gegenüber den Kostenträgern ab. Beauftragen die Rettungsdienstträger Unternehmen mit der Durchführung (Submission), zahlen die Rettungsdienstträger die Unternehmen.
- In anderen Bundesländern werden Genehmigungen (Konzessionen) erteilt. Dann stellen die Unternehmen ihre Leistungen selbst in Rechnung. Teilweise bedienen sie sich hierbei Dritter, beispielsweise einer zentralen Abrechnungsstelle (Bayern).
- Auch Mischformen sind möglich, wie in NRW. Hier wird der Rettungsdienst durch die Rettungsdienstträger erbracht, die auch Unternehmen beauftragen können. Parallel hierzu sieht das Gesetz die Erteilung von rettungsdienstlichen Genehmigungen an Unternehmen vor.
Im Wesentlichen bestehen damit zwei Finanzierungsmöglichkeiten:
- Festsetzung der Entgelte für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rettungsdienstes und anderer Krankentransporte durch landesrechtliche oder kommunalrechtliche Bestimmungen
- Berechnung der Leistungen unmittelbar durch die Unternehmen
Wer ist Kostenträger?
Adressat eines Gebührenbescheids bzw. einer Rechnung ist ansich der Verursacher, bzw. derjenige, der eine Leistung in Anspruch nimmt. Das ist meist der Patient, kann aber auch eine Krankenkasse, Versicherung oder ein Dritter – beispielsweise der Staat oder ein Krankenhaus – sein.
So stellt das System der gesetzlichen Krankenversicherung auf das Sachleistungsprinzip ab. Das heißt: Der Patient zahlt in die gesetzliche Krankenversicherung ein; im Gegenzug erhält er Sachleistungen bzw. Dienstleistungen, wenn sie erforderlich sind. Dazu zählen Fahrkosten nach § 60 SGB V, aber auch Arztbesuche, Transporte, Krankenhausaufenthalte: All das, was im Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung angeboten wird. Das funktioniert jedoch nur gegenüber Unternehmen, die an dem System teilnehmen – also Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung sind.
Anders bei den privat versicherten Patienten. Sie erhalten direkt die Rechnung und müssen diese bei der Versicherung einreichen. Ansprechpartner des Leistungserbringers bleibt dabei der Patient.
Schwierige Kassenverhandlungen
Bevor Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung Patienten betreuen dürfen, müssen sie eine vertragliche Bindung mit den Krankenkassen eingehen. Diesen stehen regelmäßig Krassenverhandlungen voran. Aufgrund „differenzierter Vorstellungen“ der beiden Verhandlungspartner können diese mitunter „amüsant“, teils hitzig und oft für eine Partei frustrierend verlaufen – und manchmal in gerichtlichen Verfahren enden.
In der Zeitschrift Rettungsdienst berichtete Unger bereits 2014 [Unger, Krankenkassen gefährden Existenz von Krankentransportunternehmen, RettD 2014, S. 682 ff. ], dass manche Krankenkassen ihre Marktmacht gegenüber den einzelnen Unternehmen ausnutzen. Immerhin ist das Groß der Patienten gesetzlich versichert; daher ist diese Patientengruppe für die Unternehmen von großer Bedeutung. Denen stehen jedoch teils Unternehmer gegenüber, die keine Vorstellung von der Finanzierung des Rettungsdienstes haben.
Es gilt selbst bei weit voneinander abwichenden Vorstellungen einer „angemessenen“ Vergütung die Contenance zu wahren. Sachlich zu bleiben. Und angesichts der zahlreichen, teils komplexen Optionen bei der Vergütung – Grundpauschale, Besetztkilometer, Gesamtkilometer, Leerfahrten, Desinfektionszulage … – den Überblick zu wahren.
Kontrahierungszwang
Zwar sind die Krankenkassen verpflichtet, mit Leistungserbringern nach § 133 SGB V einen Vertrag zu schließen. Die Kassen dürfen dabei den rettungsdienstlichen Bedarf oder die Eignung des Unternehmers nicht selbst prüfen – das ist Aufgabe der Rettungsdienstbehörden. Die Krankenkassen werden zwar gehört; die Entscheidung jedoch trifft die zuständige Behörde. Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es nach dem einschlägigen Landesrecht oder dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) zugelassen ist.
Die Krankenkassen sind allerdings nicht verpflichtet, einen Vertrag zu jedem Preis zu schließen. So zieht sich das Feilschen um die niedrigsten Kostensätze mitunter sehr lange hin. Letztlich ist diese Taktik eine denkbare Möglichkeit, die Genehmigungspraxis der Behörde zu beeinflussen.
Preisverhandlungen
Unternehmen haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Preisangebote über den Sätzen bestehender Vereinbarungen. Sie haben aber Anspruch auf Entgelte, die frei von Verstößen gegen die Grenzen aus den §§ 19 bis 21 GWB, Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 GG sind. Ist eine dieser Grenzen verletzt, kann sich wiederum ein Kontrahierungszwang mit der Krankenkasse ergeben. Ein nicht immer leicht nachzuvollziehender Grat.
Von Relevanz für die Krankenkassen ist die Marktsituation. Über diese sollten sich die Unternehmen vor den Verhandlungen gut informieren. Denn nicht immer sind die von den Kassenvorstellungen gedeckten Angebote überhaupt vergleichbar.
Beispielsweise macht es einen Unterschied, ob Leistungen im Intensivtransport, in der Notfallrettung oder im Krankentransport angeboten werden, gegenüber den Angeboten von Taxi und Mietwagenunternehmen im Bereich der Krankenfahrten. Leistungen im Krankenfahrdienst (Taxi/Mietwagen) sind mit (qualifizierten) Krankentransporten preislich schlicht nicht vergleichbar. Nicht nur die Qualifikation des Personals im Krankentransport, sondern auch die nach DIN EN 1789 [aktuell in Überarbeitung: prEN 1789:2018] erforderliche Ausstattung verursacht wesentlich höhere Kosten.
Inhalte der Verträge
Gegenstand eines Vertrages nach § 133 SGB V können nur Regelungen über die Vergütung und damit zusammenhängende Abrechnungsbestimmungen sein. § 133 enthält keine Grundlage für Vereinbarungen über Inhalt und Umfang der Leistungen.
Dennoch kennen wir einige Verträge, die auch zu qualitativen Fragen Regelungen beinhalten.
Rechnung an die Versicherten
Schließen die Krankenkassen mit dem Unternehmer keinen Vertrag und erhält der Unternehmer auch keine Vergütung nach landesrechtlichen Bestimmungen, so hat er ein Problem:
- Er kann gegenüber der Krankenkasse nicht abrechnen.
- Er muss aber Löhne, Miete, Darlehen und Wartung – gegebenenfalls auch Rechtsanwälte und weitere Dienstleister – bezahlen.
- Woher soll er das Geld nehmen?
Eine Lösung können die Versicherten sein.
Die Versicherten können ihre Ansprüche nur gegenüber Leistungserbringern geltend machen, die am System der gesetzlichen Krankenversicherung teilnehmen. Gegenüber Dritten können sie diese Leistung nicht beanspruchen. Nicht jedes Unternehmen im Gesundheitswesen bietet „Kassenleistungen“ an.
Was passiert ohne Vertrag?
Ohne Vertrag mit der gesetzlichen Krankenversicherung und ohne Vereinbarung mit dem Rettungsdienstträger, kann das Unternehmen den Transport möglicherweise gegenüber dem Auftraggeber bzw. dem Transportierten abrechnen. Das gilt auch im Rettungsdienst. Letztlich ist dabei jeder Einzelfall individuell zu prüfen. Dass die Situation unbefriedigend ist, erkennen spüren beide Seiten meist frühzeitig – am Unmut der Versicherten, an der Presse, an der Liquidität. Manchmal beschleunigt dies den Ablauf der Verhandlungsrunden.
Versicherte können zwar versuchen, diesen Beitrag über das Kostenerstattungsverfahren bei ihrer Versicherung geltend zu machen. Hierzu gibt es auch Entscheidungen der Gerichte. Lästig ist das Verfahren allemal.
Zusammenfassung
Der Rettungsdienst ist aufgrund des Föderalismusprinzips in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet. Zögerliche Kassenverhandlungen können dazu führen, dass Unternehmen Rechnungen (zunächst) an die Versicherten stellen. Für diese ist das ärgerlich; sie sollten die Kosten wiederum bei ihrer Krankenkasse geltend machen.
Der Beitrag stellt nur einen Auszug aus dem äußerst komplexen Finanzierungswesen im Rettungsdienst dar.