In Bayern stellt sich eine interessante Rechtsfrage: Wer kommt in Bayern zuerst: Die Genehmigung außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes oder die Vergabe an gemeinnützige Organisationen?

Krankentransport in Bayern

Die Landkreise und kreisfreien Gemeinden haben in Bayern die Aufgabe, den öffentlichen Rettungsdienst nach Maßgabe dieses Gesetzes innerhalb von Rettungsdienstbereichen sicherzustellen. Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) legt dabei die für die Sicherstellung des Rettungsdienstes in seinem Rettungsdienstbereich notwendige Versorgungsstruktur fest. Er überprüft regelmäßig die Versorgungsstruktur sowie deren Notwendigkeit, entscheidet über erforderliche Änderungen unverzüglich nach Bekanntwerden der Tatsachen, die eine Änderung des rettungsdienstlichen Bedarfs begründen können und setzt seine Entscheidungen unverzüglich um. Dabei sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.

Die bodengebundene Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport vergibt der ZRF sodann als Dienstleistungskonzession an gemeinnützige Organisationen. Umstritten ist, ob die Beschränkung auf gemeinnützige Organisationen europarechts- und verfassungswidrig ist. Unter dem Lichte der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs mit Urteil vom 24.05.2012 – 1-VII-10 ist das kritisch zu würdigen. Ein Verstoß gegen die Bayerische Verfassung könnte durch Popularklage geklärt werden. Aber darum geht es an dieser Stelle nicht.

Krankentransportgenehmigung (Bayern)

Außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes können Unternehmer einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für Krankentransport stellen. Grundsätzlich besteht darauf aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Anspruch, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Die Genehmigung für Krankentransport außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes ist jedoch zu versagen, wenn eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem funktionsfähigen Rettungsdienst zu erwarten ist (Funktionsfähigkeitsprüfung, oder auch Verträglichkeitsprüfung). Dabei handelt es sich um eine durch die Gerichte überprüfbare, aber nicht ersetzbare Prognoseentscheidung der zuständigen Behörden. Bei dieser Prognose sind die flächendeckende Vorhaltung und die Auslastung innerhalb des Rettungsdienstbereichs, insbesondere das Einsatzaufkommen, dessen Verteilung im Rettungsdienstbereich, die Anzahl der betriebsbereit vorgehaltenen Krankenkraftwagen sowie die Entwicklung der Kosten zu berücksichtigen. Die Funktionsfähigkeit ist insbesondere beeinträchtigt, wenn das für eine effektive und wirtschaftliche Auslastung notwendige Einsatzaufkommen des im öffentlichen Rettungsdienst durchgeführten Krankentransports unterschritten wird.

Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration hat dazu einige Innenministerielle Schreiben (IMS) erlassen, die das Genehmigungsverfahren und die Verträglichkeitsprüfung in Bayern konkretisieren und vereinheitlichen sollen. Siehe rettungsdienstgesetz.de/bayern

An diesem Verfahren gibt es mitunter die zwei folgenden, rechtlichen Kritikpunkte:

  1. Liegt überhaupt eine notwendige Versorgungsstruktur vor, soweit eine oder mehrere Krankentransportgenehmigungen außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes den Bedarf decken? Müsste also nicht die Genehmigungsbehörde nach Rücksprache mit dem Zweckverband prüfen, welche Auswirkungen eine Genehmigung auf die Versorgungsstruktur hätte und dabei auch in Betracht ziehen, die eigene Vorhaltung zu reduzieren?Ein Blick nach Nordrhein-Westfalen zeigt, dass dort im Rahmen der Bedarfsplanung die Fahrzeuge der privaten Anbieter zu berücksichtigen sind. Natürlich gilt das RettG NRW nicht in Bayern; möglicherweise ergeben sich allerdings vergleichbar Denkansätze. Das VG Düsseldorf führte in seinem Urteil vom 26.06.2020 – 29 K 15294/17 aus:Auch bei der nach § 19 Abs. 4 RettG NRW zu treffenden Prognose, welche Auswirkungen auf den öffentlichen Rettungsdienst eine nach § 17 erteilte Genehmigung hätte, muss die Behörde in Erwägung ziehen, dass sie die Möglichkeit hat in ihrer Bedarfsplanung Fahrzeuge privater Anbieter zu berücksichtigen.

    Besteht also eine Genehmigung außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes oder ist eine solche zu erwarten, reduziert sich insoweit die sicherzustellende Versorgungsstruktur. Die Krankentransportunternehmen haben grundsätzlich eine behördlich überprüfbare Betriebspflicht und eine Beförderungspflicht. Sie decken also einen Teil der Beförderungsaufträge ab. Einer Sicherstellung durch den öffentlichen Rettungsdienst bedarf es insoweit nicht. Etwaige Verträge mit Durchführenden, die der Sicherstellung der Versorgung dienen, könnten reduziert werden.Die Regelung in Art. 24 Abs. 5 Satz 1 BayRDG erscheint dabei auch fair, sind doch sich neu bewerbende und vorhandene Unternehmer bei der Erteilung der Genehmigungen angemessen zu berücksichtigen. Dies scheint im Vergleich zu dem Grundrechtseingriff, wie er derzeit durch die Beschränkung auf gemeinnützigen Organisationen im Auswahlverfahren nach Art. 13 Abs. 1 BayRDG besteht, zugleich das mildere Mittel zu sein.
  2. Ein weiterer Kritikpunkt ist (neben anderen gesetzlich nicht nachvollziehbaren Vorgaben) die starre Grenze von 75 % zur Erreichung des Schwellenwerts. Diese beruht, soweit ersichtlich, auf keiner gesetzlichen Vorgabe. Es ist auch nicht transparent dargelegt, wie sich die 75 % berechnen. Eine weitere Flanke ergibt sich daraus, dass die starren 75 % auf sämtliche Rettungsdienstbereiche anzuwenden sind, ohne dass sie zwischen ländlichen und städtischen Regionen differenzieren.

Wie so viele Regelungen zur Bedarfsplanung und Verträglichkeitsprüfung müssen sich auch diese Vorgaben an den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Regelungen orientieren. Dabei sind vor allem auch die Grundrechte der Allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG (Zulassungsbeschränkung) und die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG zu wahren.

Die Rechtsfrage ist in einem anhängigen Verfahren aufgeworfen. Eine Entscheidung erwarten wir mit neugierigem Interesse, da sie Auswirkungen auf die Verträglichkeitsprüfung bei Krankentransportgenehmigungen haben kann. Ob und wie die Gerichte diese Rechtsfrage beurteilen, wird sich zeigen.

Redaktioneller Hinweis
Nachträgliche sprachliche Anpassung des ursprünglichen Inhalts am 2.2.2024.

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