Verwaltungsgericht Düsseldorf entscheidet, dass die Vergabe von Leistungen des Rettungsdienstes unter die sogenannte Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB zu subsumieren sei; ferner zum Rechtsschutzbedürfnis bei Eilverfahren gegen die Zuschlagserteilung.

VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. September 2016 – 7 L 2411/16
Zu RettDG NRW § 13, VwVfG § 58, Richtlinie 2014/24/EU

Die Antragsstellerin begehrte, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, in dem Auswahlverfahren zur Vergabe von Rettungsdienstleistungen auf das Angebot eines Mitbewerbers  den Zuschlag zu erteilen oder einen  öffentlich-rechtlichen Beauftragungsvertrag zu schließen. Diesem Begehren kam das Verwaltungsgericht nicht nach.

Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten

Das Verwaltungsgericht führte zunächst aus, warum es sich – und nicht die Vergabekammern – für zuständig erachtet. Die Vergabe des streitgegenständlichen Loses unterliege der sogenannten Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Die Vorschriften des vierten Teils des GWB seien daher nicht anzuwenden (Rn. 15).

Das Verwaltungsgericht setzt sich in diesem Zusammenhang mit den vergaberechtlichen Begriffen der Gefahrenabwehr und der Gemeinnützigen Organisationen auseinander und grenzt diese zwischen nationalen und europäischen Regelungen ab.

Begriff der Gefahrenabwehr

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts handele es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um Dienstleistungen, die der Gefahrenabwehr dienen. Der vereinzelt in der Literatur vertretenen Ansicht, dass der Gefahrenbegriff des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB derart eng auszulegen sei, dass er sich allein auf Zivil- und Katastrophenschutzfälle und mindestens abstrakt drohende Großschadensereignisse beschränke, wollte das Verwaltungsgericht nicht folgen. Sie „würde dem Verständnis des Begriffs der Gefahrenabwehr in der geltenden Rechtsordnung nicht gerecht und diesen (…) neben den Begriffen Katastrophen- und Zivilschutz seines eigenständigen Anwendungsbereichs berauben.“ (Rn. 23 ff.)

Begriff der gemeinnützigen Organisation

Es bestehe auch kein Zweifel an der Eigenschaft der Gemeinnützigkeit der an dem Vergabeverfahren beteiligten Organisationen. Beide seien durch § 26 Abs. 1 S. 2 ZSKG als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt. Die Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen „Spezzino“ und „CASTA“ erachtete das Gericht nicht für anwendbar. Die Rechtsprechung des EuGH sei nicht auf die Richtlinie 2014/24/EU und damit auch nicht auf § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB übertragbar. Denn in den damals vom EuGH entschiedenen Fällen seien die Vergaberichtlinien schlicht noch nicht anwendbar gewesen. Außerdem habe es sich in der Entscheidung dort nicht um die Frage gehandelt, ob der Anwendungsbereich des formenstrengen Kartellvergaberechts (europäisches Sekundärrecht) ausnahmsweise eröffnet sei, sondern um die Frage, ob bei Binnenmarktrelevanz die direkte Vergabe von Rettungsdienstleistungen an eine „Freiwilligenorganisation“ ohne jegliche Bekanntmachung mit den Art. 49 und 56 AEUV vereinbar ist (europäisches Primärrecht). (Rn. 58 ff.)

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis

Der Antrag sei im Übrigen nicht zulässig; der Antragstellerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis für den gerichtlichen Eilrechtsschutz.

Eine weithin greifende Vorverlagerung des gerichtlichen Rechtsschutzes „nicht zum Zuge gekommener“ Dritter in den Zeitraum zwischen Auswahlentscheidung und Erlass eines Verwaltungsakts oder Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages kenne das allgemeine Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht im Gegensatz zum Kartellvergaberecht grundsätzlich nicht. Hier gewinne auch § 58 Abs. 1 VwVfG an Bedeutung, wonach die Wirksamkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, der in Rechte Dritter eingreift, von dessen schriftlicher Zustimmung abhängt.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es dürfte sich nicht um die letzte Entscheidung zu diesen Rechtsfragen handeln.