Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat die Hilfsmittel-​Richtlinie Sehhilfen für Erwachsene am 20.06.2019 geändert. Der Beschluss ist noch nicht in Kraft. Was bedeutet das für Augenoptiker?

Hilfsmittel-Richtlinie

Der GBA beabsichtigt die Richtlinie über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinie/HilfsM-RL). Sie regelt im Wesentlichen die Verordnung von Hilfsmitteln durch Vertragsärzte und gilt gegenüber gesetzlich versicherten Patienten; sie hat keine unmittelbare Auswirkung auf Privatpatienten.

Die Hilfsmittel-Richtlinie enthält in Abschnitt B in den §§ 12 bis 17 Regelungen betreffend Sehhilfen. Das ist der für Augenoptiker wesentliche Teil.

Verordnung nur durch Augenärzte?

Nein. Das Pflegeneuausrichtungsgesetz (PNG) führte im Jahr 2012 den § 33 Absatz 5a SGB V ein (BT-Drs. 17/10170, 25). § 33 SGB V enthält gesetzliche Regelungen zu den Hilfsmitteln. Der GBA hat sich im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz an die gesetzlichen Vorgaben zu halten.

Der mit dem PNG neu eingeführte Absatz 5a stellt nunmehr klar, dass für die Versorgung mit Hilfsmitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht generell eine vertragsärztliche Verordnung erforderlich ist. Die vertragsärztliche Verordnung soll einen Ausnahmefall darstellen. Das heißt: Nicht nur Ärzte sollen Hilfsmittel verordnen dürfen:

„Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen (…) nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. (…)“ [stark gekürzt]

Beanstandungen im Beschluss

Allerdings kam der GBA dieser gesetzlichen Vorgabe in seinem ursprünglichen Beschluss vom 20.07.2017 nicht ausreichend nach. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) beanstandete den Beschluss in folgendem Punkt: § 12 Abs. 3 Hilfsmittel-Richtlinie enthalte den Grundsatz der ärztlichen Verordnungsbedürftigkeit von Sehhilfen. Das stand im Widerspruch zu § 33 Abs. 5a SGB V.

Der GBA vermochte dem BMG keine zureichenden Gründe für die Notwendigkeit einer ärztlichen Verordnung liefern. Das BMG erachtete § 12 Absatz 3 HilfsM-RL daher als rechtswidrig und beanstandet den Beschluss. Der GBA hatte erneut zu entscheiden. Und das hat er zwei Jahre später am 19.06.2019 getan.

Vor Inkrafttreten muss das BMG den Entwurf nun erneut prüfen. Bei einer positiven Entscheidung ist der Beschluss noch im Bundesanzeiger zu veröffentlichen.

Sehhilfen-Verordnung durch Augenoptiker

Für Optiker wesentlich sind die Absätze 2 und 3. Die darin aufgeführten Sehhilfen sind in ihrer Verordnung Augenärzten vorbehalten. Optiker sollten die weitere Entwicklung verfolgen und die Möglichkeit der Verordnung von Sehhilfen (genau) prüfen. Bestenfalls informieren Sie sich vor der Verordnung über die tatsächlichen Möglichkeiten, auch um etwaigen Regressen [vergleiche nur LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.05.2012 – L 1 (16) KR 265/09] vorzubeugen.

§ 12 Verordnungsfähigkeit von Sehhilfen (Entwurf)

Absatz 1

Eine Sehhilfe zur Verbesserung der Sehschärfe (§§ 13 bis 16) ist verordnungsfähig

  • bei Versicherten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres,
  • bei Versicherten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, wenn sie nach ICD 10-GM 2017 aufgrund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine mittelschwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen. Diese liegt vor, wenn die Sehschärfe (Visus) bei bestmöglicherKorrektur mit einer Brillenversorgung auf dem besseren Auge ≤ 0,3 beträgt oder das beidäugige Gesichtsfeld ≤ 10 Grad bei zentraler Fixation ist. Die Sehschärfenbestimmung hat beidseits mit bester Fernkorrektur mit Brillengläsern zu erfolgen.
  • bei Versicherten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, wenn sie auf mindestens einem Auge einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von ≥ 6,25 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder von ≥ 4,25 Dioptrien bei Astigmatismus aufweisen. Grundlage für die Verordnungsfähigkeit ist der verordnete Fernwert im stärksten Hauptschnitt. Auch bei Kontaklinsenverordnungen ist die benötigte Fernrefraktion mit Brille maßgeblich.

Absatz 2

Bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnungsfähig sind, wird in dieser Richtlinie in § 17 definiert. Die Abgabe von therapeutischen Sehhilfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung setzt eine Verordnung durch eine Fachärztin oder einen Facharzt für Augenheilkunde auf der Grundlage einer vorhergehenden Diagnostik und Therapieentscheidung voraus. Bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen zur Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen verordnungsfähig sind, wird in dieser Richtlinie in § 17 definiert.

Absatz 3

Die erstmalige Abgabe von Sehhilfen zur Verbesserung der Sehschärfe zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung setzt eine Verordnung durch eine Fachärztin oder einen Facharzt für Augenheilkunde voraus, da eine Abklärung der Ursache des Sehfehlers vor einer Erstversorgung medizinisch geboten ist. Die Verordnung erfolgt auf dem dafür vereinbarten Vordruck. Dieser ist aufgrund ärztlich erhobener Befunde auszufüllen. Eine ärztliche Verordnung bei einer Folgeversorgung ist notwendig, soweit eine erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Dies gilt insbesondere in den folgenden Fällen bei:

a) Kindern und Jugendlichen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres,

b) Versicherten, die nach ICD 10-GM 2017 aufgrund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen entsprechend § 12 Absatz 1 zweiter Spiegelstrich.

Für Ersatzbeschaffungen von Sehhilfen zur Verbesserung der Sehschärfe bei Verlust oder Bruch innerhalb von 3 Monaten nach einer Verordnung ist für die Fälle nach a) und b) keine ärztliche Verordnung erforderlich.

Absatz 4

1Eine Folgeverordnung von sehschärfenverbessernden Sehhilfen setzt eine Neubestimmung der erforderlichen Brillenglaskorrektionsstärke voraus. 2Unbeschadet einer Ersatzbeschaffung bei Verlust oder Defekt besteht nach Vollendung des 14. Lebensjahres ein Anspruch auf Neuversorgung nur, wenn sich die Refraktionswerte um mindestens 0,5 Dioptrien (dpt) geändert haben; eine Änderung der Refraktionswerte um 0,5 dpt liegt auch dann vor, wenn der Refraktionswert für das eine Auge um 0,25 dpt zugenommen und der für das andere Auge um 0,25 dpt abgenommen hat.

Absatz 5

Eine Folgeverordnung von vergrößernden Sehhilfen gleicher Zielsetzung setzt eine signifikante Änderung des Vergrößerungsbedarfs nach Neuermittlung mit allgemein anerkannten Bestimmungsmethoden voraus.

  • Änderungen durch den Beschluss vom 17.07.2017
  • Änderungen durch den Beschluss vom 20.06.2019

Nachweise

  • Hilfsmittel-Richtlinie in der Fassung vom 19.07.2018 (PDF)
  • Tragende Gründe zum Beschluss vom 19.06.2019 (PDF)
  • Volltexte der schriftlichen Stellungnahmen (PDF)
  • Beschluss vom 17.07.2017 (PDF)
  • Beschluss vom 20.06.2019 (PDF)