Bremen hat mit Wirkung zum 30.00.2022 sein Hilfeleistungsgesetz geändert. Die Änderungen sind vor allem in Hinsicht auf die  Bereichsausnahme und Notfalltransporte europarechtlich und verfassungsrechtlich interessant.

Bremisches Hilfeleistungsgesetz

Das Bremische Hilfeleistungsgesetz (BremHilfeG) regelt die übergreifende Einbindung verschiedener Organisationen in der Gefahrenabwehr. Sie umfasst ein Hilfeleistungssystem aus Brandschutz, Technischer Hilfeleistung, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Es dient der Gefahrenbekämpfung einschließlich Brandbekämpfung, der medizinischen Rettung von Menschen, der technischen Rettung von Menschen und Tieren aus lebensbedrohlichen Lagen, dem Schutz von Sachwerten, sowie der technischen Hilfeleistung bei Umweltschäden, Unglücksfällen und öffentlichen Notständen, die durch Naturereignisse, Wasser- und Gasausströmungen, Gebäudeeinstürze oder ähnliche Vorkommnisse verursacht werden, sowie des vorbeugenden Gefahrenschutzes zur Verhütung dieser Gefahren.

Das Dritte Gesetz zur Änderung des Bremischen Hilfeleistungsgesetzes vom 20. September 2022 (PDF) enthält im Wesentlichen Änderungen im Rettungsdienst. Es beinhaltet Änderungen zum Rettungsdienstbedarfsplan, zur Organisierten Erste Hilfe, zur Besetzung von Rettungsmitteln sowie eine Experimentierklausel, ferner zum Qualitätsmanagement und zur Dokumentation, zum Großschadensfall im Rettungsdienst und Massenanfall von Verletzten und Erkranken und Schnelleinsatzgruppen.

Zukünftig regelt der Rettungsdienst in § 24 BremHilfeG Notfallrettung, Notfalltransport, den Transport von lebenswichtigen Medikamenten, Blutversorgungen und von Organen für Transplantationen (Absatz 2), Sekundärtransporte (Absatz 3), Intensivtransporte (Absatz 4) sowie subsidiär den qualifizierten Krankentransport (Absatz 5).

Notfalltransport

Neu ist eine gesetzliche Definition des Notfalltransports als Aufgabe des Rettungsdienstes. Der Notfalltransport wird von der Notfallrettung abgegrenzt; begrifflich erweist sich die gesetzliche Definition allerdings missverständlich. Warum sich der Gesetzgeber nicht einer Vereinheitlichung des Rettungsdienstes wegen stärker an der DIN 13050:2021-10 orientiert, erschließt sich zunächst nicht. Die Abgrenzung zum qualifizierten Krankentransport erweist sich als schwierig, zumal die Notfalltransportwagen lediglich mit zwei Rettungssanitätern besetzt sein sollen, § 30a Abs. 2 BremHilfeG.

Der Rettungsdienst hat im Rahmen des Notfalltransports sonstige Notfallpatienten, „die sich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befinden, aber bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu erwarten sind, wenn sie nicht in absehbarer Zeit medizinische Hilfe erhalten oder bei denen die Notwendigkeit einer präklinischen Versorgung nicht ausgeschlossen werden kann, unter fachlicher Betreuung in dafür besonders ausgestatteten Rettungsmitteln in eine für die weitere Behandlung geeignete Behandlungseinrichtung zu befördern“.

Das Gesetz unterscheidet damit zwischen

  • Notfallpatienten (Verletzte oder Kranke, die sich in Lebensgefahr befinden) und
  • sonstigen Notfallpatienten (die sich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befinden)

Die Begründung in Drucksache 20/1505 vom 21.06.2022 (PDF) führt hierzu aus:

Die Änderung sei „notwendig um bei einem effizienten Ressourcenmanagement neben der Erkrankungs- beziehungsweise Verletzungsschwere die zeitliche Dringlichkeit der rettungsdienstlichen Intervention zu differenzieren. Während Notfallpatientinnen und -patienten, bei denen die sofortige Intervention eine Lebensgefahr oder einen schweren gesundheitlichen Schaden abwenden kann, direkt – in der Regel unter Verwendung von Sondersignalen – bedient werden (Notfallrettung),“ könnten „Patientinnen und Patienten ohne das Vorliegen dieser Voraussetzungen zeitverzögert und gegebenenfalls mit anderen Einsatzmitteln (zum Beispiel HanseSani, Notfalltransportwagen) zielgerichtet bedient werden.“ Der neu eingeführte Satz 2 diene „der Klarstellung, dass auch solche Notfallpatientinnen und -patienten, welche sich in einem Krankenhaus befinden welches die Versorgung nicht gewährleisten kann, ebenfalls als Einsatz der Notfallrettung bedient werden (sogenannte Notfallverlegung). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich Patientinnen und Patienten selbst mit einer Erkrankung in einer Klinik vorstellen, welche das notwendige Behandlungsspektrum nicht abdeckt oder wenn es im stationären Bereich zu einem akuten Notfall kommt, welcher in der betroffenen Einrichtung nicht versorgt werden kann.“ Diese Regelung beziehe „sich ausschließlich auf Notfallpatientinnen und -patienten“.

Sekundärtransporte

Sekundärtransporte definiert das Änderungsgesetz als „Verlegungsfahrten unter fachgerechter Betreuung in dafür besonders ausgestatteten Rettungsmitteln zwischen Behandlungseinrichtungen“, „sofern diese der besonderen Ausstattung und personellen Qualifikation des Rettungsdienstes bedürfen und nicht in den Aufgabenbereich des qualifizierten Krankentransportes fallen“.

Der neu eingefügte Absatz 3 würdige sodann „die zunehmende Anzahl an Verlegungen (Sekundärtransporte) (…). Durch die Spezialisierung der Kliniken ist ein Transport zwischen den Behandlungseinrichtungen regelmäßig und zunehmend erforderlich. Da es sich hierbei grundsätzlich (…) um bereits versorgte Personen handelt, müssen diese Transporte in der zeitlichen Priorität hinter den Anforderungen der Notfallversorgung (…) zurückstehen. “

Der vollständige Vorgang ist auf der Webseite der Bremischen Bürgschaft abrufbar.

Intensivtransport

Sinnvoll erscheint die Ergänzung um die Definition des Intensivtransports. Der Rettungsdienst führt demnach auch Transporte von Personen durch, die während des Transportes einer intensivmedizinischen Versorgung mit einem hierfür besonders geeigneten Rettungsmittel bedürfen (Intensivtransport).

Bereichsausnahme

Eine Änderungen in § 27 Absatz 1 BremHilfeG soll unter Berufung auf § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB die Anwendung der Bereichsausnahme ermöglichen. Das streng formale Vergaberecht – und folglich der freie Wettbewerb – soll hierdurch ausgeschlossen werden. Anders als das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen begrenzt das Bremische Hilfsleistungsgesetz die Auswahl jedoch auf Hilfsorganisationen und schließt damit andere gemeinnützige Organisationen aus. Diese enge Auswahl scheint unter Berücksichtigung der Artikel 26 (Binnenmarkt), 49 bis 55 (Niederlassung) sowie 56 bis 62 (Dienstleistungen) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bereits nicht gerechtfertigt.

Die Änderung soll nach der Gesetzesbegründung „für stabile Verhältnisse in diesem für die Daseinsvorsorge wichtigen und sensiblen Bereich“ sorgen. „Das zivilgesellschaftliche Engagement der Hilfsorganisationen“ würde „entsprechend gewürdigt.“ „Rettungsdienstleistungen außerhalb dieser Bereichsausnahme“ wären „im Wettbewerb auch mit privaten Anbietern zu vergeben.“ Eine darüber hinausgehende Begründung enthält das Gesetz nicht. Eine Abwägung gegenüber den verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten der bestehenden, eingerichteten und ausgeübten Betriebe im qualifizierten Krankentransport – jedenfalls im Bereich der Sekundärtransporte und Notfalltransporte – lässt die Begründung nicht erkennen.

Der Beitrag stellt nur eine erste und damit vorläufige Einschätzung der Änderungen des Bremischen Hilfeleistungsgesetzes dar und steht unter dem Vorbehalt einer vertieften rechtlichen Würdigung.

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