Der Patientenstamm ist meist ein wesentlicher wertbildender Faktor für den immateriellen Wert – den Goodwill – einer Arztraxis, eines MVZ, eines Krankenhauses oder einer anderen medizinischen Einrichtung. Daher kommt bei einer Veräußerung auch der Patientenkartei eine erhebtliche Bedeutung zu. Doch wie überträgt der Verkäufer die Patientenkartei rechtskonform an den Käufer?

Praxisverkauf – ein Fallbeispiel

Der hier abgewandelte Fall kam so tatsächlich vor. Ein Arzt nutzte ein altes Muster eines Praxiskaufvertrags. Das Muster enthielt lediglich den Hinweis, dass die Patientenkartei Bestandteil der zu übertragenden Einzelpraxis sei. Die Parteien – Käufer und Verkäufer – diskutierten mit ihrem Steuerberater zwar zahlreiche Modelle zur Berechnung des Kaufpreis. Die Klausel über die Patientenkartei blieb jedoch unangetastet.

Zu einem späteren Zeitpunkt wollte der nunmehr anwaltlich vertretene Käufer aus anderen Gründen den Kauf rückabwickeln. Er forderte von dem Verkäufer den vollen Kaufpreis zurück, Zug um Zug gegen Rückgabe der Praxis. Dabei berief er sich auf die Klausel über die Patientenkartei: Die Klausel und damit der Vertrag sei nichtig.

Patientenkartei – unverkäuflich?

Die Patientenkartei sollte nicht ohne flankierende Maßnahmen als Bestandteil des Inventars veräußert werden. Denn die Patientenkartei enthält Informationen, die dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Patienten und der ärztliche Schweigepflicht unterliegen. Gesundheitsdaten sind zudem besondere Kategorien personenbezogener Daten, die nach der DSGVO besonders geschützt sind.  Der Verkauf kann daher wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot ohne flankierende Maßnahmen nichtig sein – so bereits der Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.12.1991– VIII ZR 4/91. Allerdings scheint bei genauer Betrachtung des Urteils je nach Einzelfall natürlich auch ein anderes Ergebnis möglich. Riskieren sollte man einen Streit darüber allerdings nicht.

Und so sieht auch das ärztliche Berufsrecht vor, dass Käufer vor der Einsicht in die Patientenkartei jedenfalls die Einwilligung der Patienten einholen müssten, vergleiche § 10 Abs. 4 MBO-Ä.

Zwei-Schrank-Modell

Darstellung des Zwei-Schrank-Modells

In der Praxis hatte sich daher das so genannte Zwei-Schrank-Modell etabliert; vergleiche hierzu auch die Münchener Empfehlungen zur Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht in MedR 1992, 207 ff. Der Verkäufer verpflichtet sich darin, die Kartei des Verkäufers inklusive aller Krankenunterlagen separat und zugriffssicher von seinen Patientenakten in einem verschlossenen Aktenschrank aufzubewahren. Der Praxisverkäufer erhält einen Zweitschlüssel zu diesem Aktenschrank. Nur mit Einwilligung des Patienten darf er sodann in die alten Akten Einsicht nehmen.

Entsprechende Vorkehrungen sind natürlich auch für den Fall der Übergabe einer elektronischen Patientenakte zu treffen.

Das Landgericht Kiel bestätigte die Rechtmäßigkeit des Zwei-Schrank-Modells noch vor Inkrafttreten der DSGVO, Landgericht Kiel, Urteil vom 27.06.2014 – 5 O 64/14. In dem Verfahren über deliktischen Rechtsschutz setzte sich das LG Kiel mit dem Anspruch auf Unterlassung von Behauptungen im Zusammenhang mit der Übernahme einer Zahnarztpraxis auseinander.

Zwei-Schrank-Modell und DSGVO

Aber ist das Zwei-Schrank-Modell unter der Datenschutz-Grundverordnung heute noch rechtmäßig?

Je nach der tatsächlichen Ausgestaltung kann es sich bei der Aufbewahrung und späteren Ansichnahme der Akten um einen gemeinsamen Verantwortungsbereich nach Art 26 DSGVO (Joint Controll/JC), um eine Auftragsverarbeitung nach Art 28 DSGVO (Controller to Processor/C2P) oder um eine Datenübermittlung (Controller to Controller/C2C) handeln. Abhängig von der gewählten Gestaltungen sind datenschutzkonforme Verträge und deren Beachtung bei der praktischen Umsetzung unerlässlich. Ein vom Kaufvertrag getrenntes Agreement mit den Einzelheiten bietet sich an.

Vertragsmuster dürfen insoweit nur mit besonderer Sorgfalt herangezogen werden. Die Klausel zur Übertragung der Patientenkartei bedarf einer besonderen Prüfung. Dabei sind auch datenschutzrelevante Umstände wie Zweck und Rechtsgrundlage der Verarbeitung, Zugangsberechtigungen oder Speicherdauer möglichst näher zu beleuchten.

Bei der tatsächlichen Umsetzung sind schließlich zahlreiche weitere Details zu beachten – unschön wäre es, wenn die zurückgelassenen Patientenakten irgendwann von Dritten aufgefunden würden (Beispiel 1, 2, 3). Immerhin droht Art. 84 DSGVO mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen und mit § 134 BGB möglicherweise die Nichtigkeit des Vertrags.

Verkäufer sollten noch vor Übergabe ihre ärztliche Schweigepflicht und den Datenschutz ernst nehmen und den Umgang damit näher prüfen, wie ein weiteres Beispiel zeigt. In dem in Flensburg entschiedenen Fall beschäftigte der Praxisverkäufer einen ehrenamtlichen EDV-Beauftragten; das Landgericht ermöglichte die Rückabwicklung. Eine solche Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht stelle einen nicht behebbaren Sachmangel der Arztpraxis dar und begründet für einen Praxiserwerber ein gesetzliches Rücktrittsrecht, so das Landgericht Flensburg, Urteil vom 5.7.2013 –4 O 54/11, jedoch zur Rechtslage vor der Novelle des § 203 StGB.