Alles per App? Auch der Arzt. Das Heilmittelwerbegesetz verbietet nicht die Fernbehandlung an sich. Sie verbietet wohl aber die Werbung dafür. Diese ist grundsätzlich untersagt. Das Verbot erfasst auch Apps, die Fernbehandlung im Ausland anbieten. Das bestätigt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München (OLG München).

Der Sachverhalt

Die wettbewerbsrechtliche Entscheidung hat ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen erstritten. Die Beklagte war das Tochterunternehmen eines Krankenversicherers. Dieses warb über das Internet auch in Deutschland für einen digitalen Arztbesuch bei Schweizer Ärzten.  Das Landgericht untersagte der Beklagten bereits in erster Instanz,

im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland für ärztliche Fernbehandlungen in Form eines digitalen Arztbesuchs zu werben, wobei mittels einer App in Deutschland lebenden Patienten, die bei der o. Krankenversicherung AG krankenversichert sind, angeboten wird, über ihr Smartphone von Ärzten, die im Ausland sitzen, Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen zu erlangen (…).“ 

Das Oberlandesgericht München (OLG München) wies die Berufung der Beklagten zurück.

Die Entscheidung

Allgemeines Werbeverbot für Fernbehandlung

Konkret dreht sich die Entscheidung um § 9 HWG. Dieser lautet:

Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Satz 1 ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

Das bedeutet im Wesentlichen

  1. Die Werbung für Fernbehandlung ist auch weiterhin grundsätzlich verboten.
  2. Die Fernbehandlung als solche bleibt unberührt. Deren Zulässigkeit ist vor allem nach den berufsrechtlichen Vorgaben zu prüfen.
  3. Ausnahmen bestehen dann, wenn ein persönlicher ärztlicher Kontakt nach allgemein anerkannten fachlichen Standards nicht erforderlich ist.

Der Gesetzgeber gehe davon aus, „dass eine Werbung für Fernbehandlungen im Interesse der Vermeidung der mit einer solchen Werbung verbundenen Gefahren für die allgemeine Gesundheit im Allgemeinen untersagt ist„. So das OLG München. Dies gelte auch für Apps, mit denen „Patienten angeboten wird, über ihr Smartphone (…) für nicht näher konkretisierte Behandlungsfälle und -situationen Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen zu erlangen“. 

§ 9 HWG sei dabei ein eigener Regelungsgehalt zuzugestehen, der nicht die Fernbehandlung an sich verbietet, sondern lediglich die Werbung hierfür. Selbst wenn eine Fernbehandlung zulässig ist, kann die Werbung dafür verboten sein.

Das Problem an dem entschiedenen Fall war, dass die App nicht nur einzelne Maßnahmen bewarb, die möglicherweise von § 9 Satz 2 HWG gedeckt gewesen wären. Vielmehr warb die Beklagte für ein weites ärztliches Leistungsspektrum, einschließlich Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibungen. 

Auch aus dem Ausland

Dabei wies das OLG München darauf hin, dass dies auch für im Ausland ansässige Unternehmen gelte. Nach Art. 6 Abs. 1 der Rom-II-Verordnung finde zunächst deutsches Recht Anwendung. Die angegriffene Werbung der Beklagten im Internet sei in Deutschland erfolgt. Die Werbemaßnahme habe in Deutschland auf den Patienten eingewirkt. 

Den Volltext der Entscheidung des OLG München, Endurteil vom 09.07.2020 – Az: 6 U 5180/19 ist unter Bayern.Recht abgedruckt.

Fazit

Wie immer gilt: Wer wirbt, sollte werberechtliche Regelungen kennen oder im Zweifel prüfen lassen. Das gilt besonders für Werbung im Internet und für Gesundheitswerbung im speziellen. Denn das Heilmittelwerberecht sieht einen erheblichen Patientenschutz vor. Nach dem Heeilmittelwerbegesetz (HWG) verbotene Werbung ist nicht nur unlauter und kann damit abgemahnt werden. Sie kann nach den Bestimmungen des HWG sogar strafbar sein.

Das HWG findet auch auf Ärzte und andere im Gesundheitswesen tätige Unternehmer Anwendung.

In diesem Zusammenhang verweisen wir zudem auf § 7 Abs. 4 Musterberufsordnung Ärzte (MBO-Ä) sowie die entsprechenden berufsrechtlichen Vorgaben der Landesärztekammern. § 7 Abs. 4 MBO lautet:

Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.

Daran, dass der Datenschutz und die Datensicherheit eine weitere Rolle spielen, soll nur am Rande erinnert sein. 

Daher sollten Ärzte auch bei der Fernbehandlung die übrigen gesetzlichen Rahmenbedingungen kennen. 

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