Nach der Vergabekammer Münster bestätigt auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, dass die Bereichsausnahme im Rettungsdienst in NRW keine Anwendung findet. Damit unterliegt die Vergabe von Leistungen im Rettungsdienst dem Vergaberecht nach den §§ 97 ff. GWB.

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Beschluss vom 13.07.2022 – 15 L 743/22

Wie bereits vorher die Vergabekammer Münster zur Bereichsausnahme im Rettungsdienst hat nun auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen diese Auffassung vertreten. Die Bereichsausnahme findet keine Anwendung. Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte eine Hilfsorganisation in einem rettungsdienstlichen Verfahren gestellt.

Das Verwaltungsgericht führte hierzu aus:

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Eine derartige abdrängende Sonderzuweisung enthält § 156 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der den Rechtsweg zu den Vergabekammern eröffnet. Nach § 156 Abs. 2 GWB können Rechte aus § 97 Abs. 6 GWB sowie sonstige Ansprüche gegen Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden. (…)

Bei dem Antragsgegner als Gebietskörperschaft handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne von §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der in Rede stehende Auftrag liegt mit dem darin vorgesehenen Volumen (…) ohne weiteres über den in § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwerten (…). Wie § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB zeigt, handelt es sich bei der hier in Rede stehenden Vergabe von Dienstleistungen im Bereich des Rettungsdienstes auch um Dienstleistungen, die grundsätzlich dem Vergaberegime des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegen.

Die Zuweisung an die Vergabekammern ist auch nicht durch die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB ausgeschlossen. (…) Die Voraussetzungen dieser Bereichsausnahme liegen nicht vor. Es fehlt an dem Merkmal, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen „erbracht werden“.

Die Vorschrift dient unter anderem der Umsetzung der in Art. 10 lit. h der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG vorgesehenen Ausnahme. Voraussetzung ist, dass diese Dienste von gemeinnützi-gen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden (vgl. BT-Drs. 367/15, S. 90). Dies hat der EuGH in seinem Urteil vom 21. März 2019 (Rs. C-465/17) bestätigt und den Geltungsbereich dieser Bereichsausnahme auf den so genannten „qualifizierten Krankentransport“ ausgedehnt sowie die Anforderungen an die Gemeinnützigkeit präzisiert. Wie auch Erwägungsgrund 28 der Richtlinie 2014/14/EU aufzeigt, handelt es sich bei der Bereichsausnahme in Art. 10 lit. h der Richtlinie und ihm folgend in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB um eine Privilegierung der durch gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen erbrachten Notfalldienste, nicht um eine Privilegierung der Notfalldienstleistungen als solcher. Da der Wettbewerbsgrundsatz eines der Kernprinzipien der öffentlichen Auftragsvergabe ist, ist diese Ausnahme eng auszulegen und nicht über das notwendige Maß hinaus auszuweiten. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass zum einen die Privilegierung des Leistungserbringers dem Vergabesystem grundsätzlich fremd ist und dass zum anderen im Anwendungsbereich der Bereichsausnahme das Wettbewerbsprinzip zu Lasten gewerblicher Anbieter nicht greift.
Vgl. Vergabekammer Westfalen, Beschluss vom 15. Juni 2022 – VK 1 – 20/22 –, juris Rn. 48, 58 60; Erwägungs-grund 28 der Richtlinie 2014/24/EU.

Die Entscheidung, die uns im Volltext vorliegt, ist ebenso wie die Entscheidung der Vergabekammer Münster noch nicht rechtskräftig. Sie zeigt allerdings eine mögliche Richtung zur Bereichsausnahme im Rettungsdienst auf.

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