Die KVB verkündete am 15.12.2014: Eine neue Vereinbarung mit den Kostenträgern und eine Erhöhung der finanziellen Rahmenbedingungen seien gelungen. Viele Notärzte an einsatzstarken Standorten aber sind anderer Meinung – sie verdienen sogar weniger. Sie fragen sich, ob sie überhaupt noch als Notärzte tätig sein wollen.
Rechtsgrundlage: Sicherstellungsauftrag
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (kurz: KVB) hat den Notarztdienst nach Art. 14 Abs. 1 BayRDG (Bayerisches Rettungsdienstgesetz) mit Ausnahme der Luftrettung sicherzustellen, soweit gesetzlich versicherte Notfallpatienten nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB V Anspruch auf eine ärztliche Behandlung haben. Im Übrigen stellen die jeweiligen Zweckverbände für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung und die KVB gemeinsam die Mitwirkung von Ärzten in der bodengebundenen Notfallrettung sicher. Die KVB kann hierzu mit den im Notarztdienst mitwirkenden Ärzten Verträge über die Einzelheiten der Tätigkeit und die Vergütung schließen. Soweit erforderlich hat sie Verhandlungen mit geeigneten Kliniken aufzunehmen.
Woher kommen Bayerns Notärzte?
Die KVB rekrutiert die Notärzte daher sowohl aus den eigenen Mitgliedern – den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden niedergelassenen Haus- und Fachärzten -, als auch aus Klinikärzten und von der KVB ermächtigten Ärzten, sofern sie über die entsprechende Qualifikation als Notarzt verfügen. Die KVB hat hinsichtlich der Einzelheiten des Notarztdienstes eine Notarztdienstordnung-KVB (kurz: NADO-KVB) erlassen. Beschlossen hatte diese Ordnung die eigene Satzungsversammlung der KVB. [NADO-KVB zum Download via KVB, Stand 30.12.2014]
Streit um Berechtigung und Ermächtigung
Der erste Streit entbrannte bereits über die Berechtigung einiger Notärzte. Denn das Bayerische Landessozialgericht erklärte den die Berechtigung regelnden § 4 NADO-KVB mit Urteil vom 24.10.2012 – L 12 KA 36/09 für nichtig. Die KVB durfte diese Regelung nicht nur aufgrund vorgehender bundesrechtlicher Regelungen nicht erlassen; die KVB hatte bei Erlass des § 4 NADO-KVB auch die Grenzen ihrer Satzungsautonomie überschritten. In Folge erwog die KVB für die Zulassung zur notärztlichen Versorgung Gebühren in Höhe von 520 EUR zu erheben; was den bislang nicht berechtigten Notärzten deutlich missfiel [Weiterführende Informationen].
Die Zuständigkeit für die Erteilung einer Ermächtigung zur Teilnahme am Notarztdienst liegt nunmehr beim Zulassungsausschuss Notarztdienst Bayern.
Streit um notärztliche Vergütung
Parallel hierzu vertiefte sich die Diskussion um die notärztliche Vergütung, die von vielen Notärzten in mehrfacher Hinsicht als ungerecht empfunden wurde. So jedenfalls vernahm ich die Stimmung unter den von uns vertretenen Notärzten, den Mitteilungen der AGBN [Externer Link: AGBN], in Foren und Mailinglisten [zum Beispiel hier: Notarzt-Bayern. So wurde allgemein die Vergütung als wirtschaftlich zu gering empfunden; andererseits galt es die finanzielle Ungleichbehandlung zwischen einsatzintensiven und weniger einsatzstarken Standorten auszugleichen. Vereinzelt wurden abweichende Vergütungsmodelle vorgestellt.
Abrechnungsmodell in Bayern
Derzeit können Bayerns Notärzte eine Bereitschaftspauschale sowie eine einsatzbezogene Pauschale bei gesetzlich versicherten Patienten abrechnen. Bei privat versicherten Patienten und Selbstzahlern ist eine Abrechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) möglich. [Siehe Abrechnungshinweise der KVB bis 31.12.2014 zum Download via KVB Stand 30.12.2014]
Die Situation „eskalierte“ jedoch bereits um Weihnachten 2012 als die KVB aufgrund eines Streits mit den Kassen über nicht vergütete Einsätze Rückstellungen bildete und diese bei den Notärzten einbehielt. In der Folge verhandelte die KVB wohl knappe zwei Jahre mit den Kassen. Den Verhandlungen wurde von Seiten der Notärzte insbesondere die fehlende Beteiligung als auch mangelnde Transparenz vorgeworfen.
Bayern: Notarztvergütung ab 2015
Zum 1. Januar 2015 soll sich die Vergütung im Notarztdienst ändern. Laut KVB wird die „Vergütung von Behandlungsfällen im Rahmen von Notarzteinsätzen (…) abgesenkt, um die Höhe zu garantieren und eine Quotierung zu vermeiden. Der entsprechende Absenkungsbetrag fließt ein in eine Grundvergütung, die für erbrachte Dienststunden vergütet wird.“ [Quelle: KVB Webseite via KVB, Stand 30.12.2014]
Konkret soll die Grundvergütung zwischen 13,00 EUR und 22,00 EUR pro Stunde, ggf. zuzüglich eines Nacht-, Wochenend- und Feiertagszuschlags von 3,00 EUR betragen. Je einsatzschwächer der Standort ist desto höher erweist sich die Grundvergütung. Die Grundvergütung wird für die Bereitschaftszeit geleistet, für die ständige Alarmbereitschaft am Notarztstandort. Hinzu kommt eine Einsatzvergütung von 45,00 EUR je Einsatzfall. Zum Vergleich: Nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wäre je nach Einsatzgeschehen eine Abrechnung von mehreren hundert Euro möglich.[Quelle: KVB Webseite zur neuen Vergütungssystematik ab 2015 mit Gegenüberstellung alter und neuer Systematik via KVB, Stand 30.12.2014]
Der Vorstand der KVB teilte hierzu mit, dass es ihm „gelungen“ sei, „mit den Kostenträgern ein neues Vergütungsmodell (…) zu vereinbaren“ und er damit einige seiner „wichtigsten Ziele“ erreicht habe: „die Erhöhung der finanziellen Rahmenbedingungen und die Stärkung einsatzschwacher Standorte durch eine deutlich höhere Grundvergütung.“ [Schreiben des Vorstandes der KVB vom 15.12.2014 zum Download via KVB]
Dem widersprechen die Stimmen mir bekannter Notärzte als auch zahlreiche Stimmen in Mailinglisten [zum Beispiel hier: Notarzt-Bayern via asamnet]. Demnach jedenfalls soll eine Vergütungsgerechtigkeit nicht gelungen sein. Viele kritisieren die teilweise Absenkung der Vergütung auf einem bereits veraltetem Niveau. Sie sind der Meinung, dass diese Vergütung nach Abzug der eigenen Kosten und dem Ergebnis nach Steuer nicht mehr angemessen sei. Einige Notärzte sehen sich nicht mehr bereit zu diesen Konditionen den Notarztdienst im bisherigen Umfang oder überhaupt noch aufrecht zu erhalten. Dieser Ansicht sind nicht nur ältere, erfahrene Ärzte.
Aus meiner Sicht sind zwei Aspekte wesentlich bei der Frage nach der notärztlichen Vergütung: Zum einen ein wirtschaftliches, angemessenes Auskommen aller beteiligten Notärzte, mindestens genauso auch die Wertschätzung für die geleistete Tätigkeit. Sinnvolle, sich ebenfalls auf die Gesamtvergütung auswirkende Verbesserungen wären bei der Notrufabfrage und der Disposition der Notarzteinsätze möglich.
Notarzt vs. Ärztlicher Bereitschaftsdienst
Der Notarzt ist nicht zu Verwechseln mit dem Arzt im Vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst. Der Notarzt kommt bei Notfällen, meist mit Blaulicht und Sonderrechten. Der Ärztliche Bereitschaftsdienst stellt die ambulante ärztliche Versorgung in den sprechstundenfreien Zeiten – also Nachts und am Wochenende – sicher. Er wartet in einer Bereitschaftspraxis auf seine Patienten oder besucht sie mit dem Taxi – ganz ohne Blaulicht.
Streit um die Bereitschaftsärzte
Die Sicherstellung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes obliegt ebenfalls der KVB, § 75 Abs. 1 S. 2 SGB V. Streit gibt es auch hier. Denn die KVB will nach ihrer neuen Bereitschaftsdienstordnung vom 20.04.2013 [BDO-KVB – Download via KVB] zukünftig Ärzte am Bereitschaftsdienst beteiligen, die das früher nicht mussten – namentlich die Fachrichtungen der Laborärzte, Pathologen und Psychotherapeuten, Radiologen und Strahlentherapeuten nebst anderen. Diese Fachrichtungen haben allerdings mit der somatischen Grundversorgung kaum Erfahrung.
Wer wünscht sich bei plötzlich eintretenden Bauchschmerzen am Wochenende schon den Besuch eines Kinder- und Jugendpsychotherapeuten?
Die KVB ist hier der Ansicht: Ein Arzt ist ein Arzt; alle Fachrichtungen können und müssen sich fortbilden. [Vgl. hierzu auch die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sabine Dietmar SPD vom 13.02.2013 mit Antwort des Stauch vom 25.03.2013 – BayLandtag Drs. 16/16205 via BayLandtag]
Die neue BDO-KVB trat bereits am 20.04.2013 in Kraft. Für die bisher nicht in den Bereitschaftsdienst eingebundenen Fachgruppen ist eine Übergangsfrist von zwei Jahre ab Inkrafttreten vorgesehen; für nach Inkrafttreten der BDO-KVB zugelassene Ärzte gilt eine Übergangsfrist von nur einem Jahr. Ab April 2015 werden also die neuen Fachgruppen älteren Semesters mit herangezogen, wenn sie den Dienst nicht tauschen können oder wollen.
Einige Bereitschaftsärzte haben bereits Rechtsmittel eingelegt. Außerdem gibt es noch den ein oder anderen Trick, dem ärztlichen Bereitschaftsdienst zumindest vorläufig zu entgehen. Auch hier wird die KVB also zeigen müssen, wie sie die Versorgung sicherstellt.
Sie haben Fragen zum Notarztrecht?
Dann rufen Sie uns an. Der vorstehende Beitrag soll nur eine Übersicht der aktuellen Entwicklungen wiederspiegeln. Aufgrund der zahlreichen Facetten und Meinungen in den unterschiedlichen Interessengruppen ist eine vollständige Darstellung auf diesem Blog nicht möglich.