Die Vergabekammer Rheinland, Spruchkörper Düsseldorf, sieht sich für Nachprüfungsanträge unter Geltung der Bereichsausnahme im Rettungsdienst für unzuständig. Das hat die Vergabekammer mit Beschluss vom 19.8.2016 VK D-14/2016-L entschieden. Volltext der Entscheidung im Beitrag. Es handelt sich um die erste bekannte Entscheidung zur Bereichsausnahme seit der Änderung des GWB.


Hinweis vom 15.02.2017

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Verfahren ist vor dem OLG Düsseldorf – VII Verg 34/16anhängig. Das OLG legt dem EuGH vor. Lesen Sie hier mehr.


 

Vergabekammer Rheinland Düsseldorf, den 19.08.2016
Spruchkörper Düsseldorf

VK D-14/2016-L

BESCHLUSS

In dem Nachprüfungsverfahren

der Antragstellerin zu 1),
und Antragstellerin zu 2),

gegen

die Stadt Antragsgegnerin,

wegen
Vergabe von Rettungsdienstleistungen, Los 1 und 2

Aktenzeichen:VK D-14/2016-L

weiter beteiligt:

1. Beigeladener zu l),
2. Beigeladener zu 2),
3. Beigeladener zu 3),

hat die Vergabekammer Rheinland, Spruchkörper Düsseldorf, ohne mündliche Verhandlung

am 19.08.2016 durch

Frau Leitende Regierungsdirektorin Reider als Vorsitzende,
Frau Regierungsrätin Krause-Ablaß als hauptamtliche Beisitzerin,
Herrn Echarti als ehrenamtlicher Beisitzer

beschlossen:

1. Der Nachprüfungsantrag wird verworfen.

2. Die Antragstellerinnen tragen die bei der Vergabekammer angefallenen Verfahrenskosten als Gesamtschuldnerinnen und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen anteilig. Die Antragsstellerinnen tragen die eigenen Kosten des Verfahrens selbst.

3. Die Hinzuziehung eines Anwalts war für die Antragstellerinnen und die Beigeladenen erforderlich.

4. Die Gebühren der Vergabekammer werden auf 3350 Euro (in Worten: dreitausenddreihundertfünzig) festgelegt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin zu 1) ist Teil der Unternehmensgruppe, die wiederum zu dem Konzern der Antragstellerin zu 2) gehört. Die Antragstellerin zu 2) ist eine Aktiengesellschaft. Die Antragstellerinnen haben Interesse an der Erbringung von Rettungs- und Krankendienstleistungen im Gebiet der Antragsgegnerin. Dieses Interesse hatte sie im Juli 2015 in einem Gespräch mit der Antragsgegnerin bekundet.

Die Antragsgegnerin ist Trägerin des Rettungsdienstes in. Bestehende Verträge zur Erbringung von Rettungs- und Krankentransportdienstleistungen liefen zum 31.07.2016 aus und mussten neu geschlossen werden, Die Stadt verzichtete unter Berufung auf die neue Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB auf ein Vergabeverfahren nach dem 4. Teil des GWB. Dabei war sie. sich laut eines Vermerks vom 7.03.2016 bewusst, dass die Einordnung rettungsdienstiicher Leistungen unter die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB umstritten ist, hielt das mit der freihändigen Vergabe verbundene Rechtsrisiko aber für vertretbar! Laut Vergabeakte forderte sie am 11.05.2016 vier Hilfsorganisationen, u.a. die Beigeladenen zu 1) bis 3), zur Angebotsabgabe für die auf zwei Löse verteilten Dienstleistungen auf. Die Lose wurden nach den zu besetzenden Rettungswachen (V und VI) aufgeteilt und in einem freihändigen Verfahren vergeben. Pro Los waren jeweils ein Rettungswagen und mehrere Krankentransportwagen zu besetzen.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) sind Hilfsorganisationen, die sich mit einem Angebot auf die freihändig ausgeschriebenen Lose beworben haben. Die vierte angeschriebene Hilfsorganisation hat kein Angebot abgegeben. Auf das Los 1 haben sowohl die Beigeladene zu 1) als auch die Beigeladene zu 2) ein Angebot abgegeben. Auf das Los 2 hat nur die Beigeladene zu 2) ein Angebot abgegeben. Die Beigeladene zu 1) erhielt den Zuschlag für das Los 1 – Rettungsdienstbereich VI der Stadt die Beigeladene zu 2) den Zuschlag für das Los 2 – Rettungsdienstbereich V der Stadt.

Die Antragsgegnerin ging in einem werfenden Vermerk vom 25.05.2016 u.a. darauf ein, dass die Krankenkassen die Gebührenberechnung bei einer Vergabe an die Beigeladene zu 2) eventuell nicht akzeptieren könnten (Blatt 096 f. der Vergabeakte). Sie wertete die Angebote aus und verglich die Kosten durch Herunterbrechung auf eine Wochenvorhaltestunde (Blatt 002 der Vergabeakte).

Auf eine Rüge der Antragstellerinnen vom 22.06.2016 bezüglich’der beabsichtigten Zuschlagserteilung außerhalb eines Vergabeverfahrens gemäß .dem 4. Teil des GWB antwortete die Antragsgegnerin am ,29.06.2016 mit einer Zwischennachricht. Inhaltlich beantwortet wurde die Rüge unter Verweis auf das laufende Nachprüfungsverfahren bisher nicht.

Die Schreiben, mit denen die Antragsgegnerin die Zuschlagserklärungen versandte, datieren vom 2.07.2016. Die Zuschlagserklärung an die Beigeladene zu 1) wurde ausweislich des Sendeberichts am 4.07.2016, 8:30 Uhr, per Fax versandt. Die Vorabversendung per Fax war auf dem Schreiben bereits vorgesehen, während es einen entsprechenden Vermerk bei dem Schreiben an die Beigeladene zu 3) nicht gibt.

Unterzeichnet wurden die Schreiben von dem Beigeordneten und Rechtsdezernenten der Antragsgegnerin. Dieser ist seit dem 15.01.2016 in dieser Funktion bei der Antragsgegnerin tätig. Zuvor war er Geschäftsführer der Beigeladenen zu 3).

4

Am 1.07.2016 reichte der Beigeladene zu 2) Klage (Az. 7 K 8013/16) sowie am 13.07.2016 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az. 7 L 2411/16) beim Verwaltungsgericht Düsseldorf gegen die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen zu 1) ein.

Am 4.07.2016 um 12:29 Uhr reichten die Antragstellerinnen ihren Nachprüfungsantrag ein.

Mit Kammerbeschluss vom 1.08.2016 erfolgte die Beiladung der Beigeladenen zu 1.)‘ bis 3). Diese teilten auf Nachfrage schriftlich mit, weichen Wert die Notfallrettungsdienstleistungen und welchen Wert die Krankentransportdienstleistungen in ihrem Angebot haben. Daraus ergab sich für alle Beigeladenen, dass der Wert der Notfallrettungsdienstleistungen überwiegt. Dieselbe Frage richtete die Kammer an die Antragsgegnerin. Die schriftliche Antwort ergab, dass der Wert der Notfallrettungsdienstleistungen und der Krankentransportdienstleistungen der Antragsgegnerin nicht bekannt sind. Der stundenmäßige Aufwand der Notfallrettungsdienstleistungen überwiegt für beide Lose gegenüber den Krankentransportdienstleistungen, worauf die Antragsgegnerin hinwies. Ferner teilte sie mit, dass bei einer früheren Ausschreibung aus dem Jahr 2011 zur Besetzung eines Rettungswagens inklusive Standort mit zwei Mitarbeitern und einer weiteren Ausschreibung aus 2011 zur Besetzung von zwei Krankentransportwagen inklusive Standort mit vier Mitarbeitern der Arbeitsstundensatz pro Mitarbeiter für den Rettungswagen Euro betragen habe und für den Krankentransportwagen Euro.

Die Antragstellerinnen erhielten entgegen wiederholter Anträge keinen Einblick in die Vergabeakte, die am 1.08.2016 von der Antragsgegnerin übersandt wurde.

Die Antragstellernnen tragen zur Begründung ihres Nachprüfungsantrags vor,der Beigeladene zu 1) habe die in der Ausschreibung genannten Bedingungen nicht erfüllt weil er keinen geeigneten Fahrzeugstandort für die Einsatzfahrzeuge nachgewiesen habe.

Die Direktvergabe sei rechtswidrig erfolgt, was zur Unwirksamkeit des Vertragsschlusses führe. Dabei habe die Antragsgegnerin das Verfahren vor der Vergabekammer gezielt hinausgezögert, um vollendete Tatsachen zu schaffen.

Die Bereichsausnahme des § 107 Abs, 1 Nr. 4 GWB greife hier nicht, da Dienstleistungen des Rettungsdienstes und des Krankentransports nicht davon erfasst seien, weil für sie auch OPV Codes gelten würden, die in § T07 Abs. 1 Nr: 4 GWB nicht genannt seien. Ferner seien die Dienstleistungen des Rettungsdienstes und des Krankentransports nicht unter die Begriffe „Katastrophenschütz“, „Zivilschutz“ oder „Gefahrenabwehr“ zu subsumieren. Der Begriff der „Gefahrenabwehr“ sei eng auszulegen und müsse sich im Einklang mit denbeiden anderen Begriffen des Zivil- und Katastrophenschutzes.ebenfalls auf Extremereignisse, begrenzen.

Es sei zweifelhaft, ob die Beigeladenen zu 1) und 3), die den Zuschlag erhalten haben, gemeinnützige Organisationen seien. Ferner hätten die vier Hilfsorganisationen, die von der Antragsgegnerin zur Angebotsabgabe aufgefordert wurden, in Deutschland eine marktbeherrschende Stellung, so dass kein Wettbewerb mehr bestehe und dadurch die Preise getrieben werden könnten.

Die Antragsteilerinnen sind der Ansicht, dass – selbst wenn man den Notfall-Rettungsdienst unter der Bereichsausnahme erfassen würde – die Ausschreibung in Lose getrennt nach Rettungsdienstleistungen und Krankentransportleistungen hätte auf geteilt werden müssen, Die Krankentransportdienstleistungen fielen nicht unter die Bereichsausnahme. Aufgrund der Vorschrift des §111 Abs. 3 Nr, 5 GWB sei daher Vergaberecht auf den Gesamtauftrag anzuwenden.

Die Antragstellerinnen beantragen,

1) festzustellen,

a) dass die Antragstellerinnen durch die De-factq-Vergabe in ihren Rechten verletzt sind,

b) dass tatsächliche Beauftragungen im Bereich des Rettungsdienstes‘ oberhalb der Schwellenwerte im Gebiet der Antragsgegnerin ohne ein gemeinschaftsrechtskonformes Auswahlverfahren rechtswidrig sind und die Antragstellerinnen gemäß § 97 Abs. 6 GWB in ihren Rechten verletzen.

2) die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht, Dienstleistungen in dem o.g. Bereich nur nach einem gemeinschaftsrechtskonformen Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben.

Hilfsweise beantragen sie,

3) unabhängig von den Anträgen, der Antragstellerinnen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hinzuwirken. .

4) den Rechtsstreit an das zuständige nordrhein-westfälische Verwaltungsgericht, höchsthilfsweise an das zuständige Landgericht zu verweisen.

Ferner beantragen sie,

5) der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahren aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge der Antragstellerinnen zurückzuweisen.

Sie trägt vor,

erstmals habe am 2.03.2016 eine Besprechung zu der Gestaltung der Vergabe der Rettungsdienstleistungen bei ihrem Rechtsdezernenten und Beigeordneten stattgefunden.

Die Aufteilung der Ausschreibung in zwei Lose nach Rettungswachen basiere auf dem Rettungsbedarfsplan vom 18.06.2015. Der Zuschlag auf beide Lose sei am 2,07.2016 erteilt worden.

In der Leistungsbeschreibung sei die Benennung eines Fahrzeugstandorts vor Vertragsschluss nicht verlangt worden.

Sie ist, – wie die Beigeladenen zu 1) und 3) der Ansicht, dass auch die Krankentransportdienstleistungen von der Bereichsausnahme erfasst seien, da es sich um sogenannte qualifizierte Krankentransportdienstleistungen handele.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf die Schriftsätze und die Vergabeakte Bezug genommen.

II.

Die Anträge zu 1) und 2) und die Hilfsanträge sind unzulässig.

1. Anträge zu 1) und 2)

Die Vergabekammer ist aufgrund der Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB nicht zuständig, weil die Vorschriften des vierten Teils des-GWB nicht anwendbar sind. Die Tatbestandsvoraussetzungen des.§ 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB sind hier zumindest teilweise, in Bezug auf die Rettungsdienstleistungen, erfüllt.

Der Rettungsdienst unterteilt sich gemäß 5 2 Abs. 1 Rettungsdienstgesetz NRW in die Notfallrettung, den Krankentransport und die Hilfeleistung für Verletzte und Kranke bei außergewöhnlichen Schadensereignissen (Katastrophenschutz). Hiervon können die Notfallrettung und die Hilfeleistung für Verletzte und Kranke bei außergewöhnlichen Schadensereignissen problemlos unter die Bereichsausnahme subsumiert werden. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus den aufgeführten CPV-Nummern, denn die Rettungsdienste (GPV-Nr. 75252000-7) und der Einsatz von Krankenwagen (CPV-Nr. 85143Ö00-3) sind laut Erwägungsgrund 28 der Richtlinie 2014/24/EU, deren Art. 10h § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB wortgetreu umsetzt, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen, weil die gemeinnützigen Organisationen, auf die man für die Rettungsdienste bisher vielfach angewiesen ist, ihren Charakter im wettbewerblichen Vergabeverfahreh nach der Vergaberichtlinie schwer wahren könnten. Aufgrund ihrer, Bedeutung für den Rettungsdienst auch im Katastrophen- und Zivilschutz wäre eine Verdrängung der gemeinnützigen Hilfsorganisationen aus Teilen ihrer Tätigkeitsbereiche mit eventuell nicht zu kompensierenden Folgen.für den Schutz der Bevölkerung und den Rettungsdienst vor Ort verbunden.

Dies Hst der Hintergrund für die Bereichsausnahme (s. Erwägungsgrund 28 der Richtlinie 2014/24/EU).

Dem würde es widersprechen, wenn nur der Teil des Rettungsdienstes, der auf den Katastrophen- und Zivilschutz gerichtet ist, von der Bereichsausnahme erfasst sein sollte. Unter den CPV-Nummern sind der Rettungsdienst und Krankenwagen erfasst. Diese Begriffe schließen vom Wortlaut her die Notfallrettung und den qualifizierten Krankentransport ein. § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB benennt zudem ausdrücklich, was nicht von der Bereichsausnahme erfasst werden soll. Das spricht im Umkehrschluss dafür, dass alles, was nicht explizit aus der Bereichsausnahme ausgeschlossen ist, von ihr erfasst sein soll. Nicht erfasst sind nur reine Krankentransportleistungen.

Zumindest der Notfallrettungsdienst ist eindeutig nicht als reine Krankentransportleistung zu werten und daher vom Wortlaut der Bereichsausnahme erfasst, Dagegen kann das Argument der Äntragstellerinnen, der Rettungsdienst bestehe aus weiteren Leistungen, die unter CPV-Nummern fielen, die in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB bzw. der Richtlinie 2014/24/EU nicht genannt werden, nicht überzeugen. Denn dann würde nicht nur der Regel – Notfallrettungsdienst, sondern auch der Rettungsdienst in Katastrophenfällen aufgrund dieses Arguments aus dem Anwendungsbereich ausscheiden und kein Anwendungsbereich mehr übrig bleiben.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen kommt dem Tatbestandsmerkmal der Gefahrenabwehr eine Bedeutung zu, die nicht auf Extremsituationen bezüglich des Ausmaßes beschränkt ist. Da die Tätigkeit der gemeinnützigen Organisationen im Regel-Notfallrettungsdienst im alltäglichen Einsatz hauptsächlich der Gefahrenabwehr für Gesundheit und Leben in Notfällen begrenzten Ausmaßes dient, wäre eine Auslegung des Begriffs Gefahrenabwehr, die Gefahren im Zusammenhang mit Extremsituationen voraussetzt, nicht plausibel. Der Wert der Tätigkeit der gemeinnützigen Organisationen ergibt sich gerade aus ihrem flächendeckenden Einsatz im Katastrophenschutz und in der alltäglichen Nötfallrettung. Für eine Auslegung, die den Schutz individueller Rechtsgüter wie Leib und Leben unter den Begriff der Gefahrenabwehr im Rahmen des § 107 GWB ordnet, spricht auch, dass der Begriff der Gefahrenabwehr ansonsten neben dem Begriff des Katastrophenschutzes Überflusssig wäre. Andersherum verlieren die Begriffe Katastrophenschutz und Zivilschutz bei einer eigenständigen Bedeutung des Begriffs Gefahrenabwehr nicht ihre Bedeutung. Denn während die Begriffe Katastrophenschutz und Zivilschutz sich in Bezug auf die genannten CPV-Nummern auf die Gefahrenabwehr in Extremsituationen mit potentiell tiefgreifenden Auswirkungen für die Bevölkerung und das Land (zur Definition der Katastrophe siehe § 1 Abs. 2 Nr. 2 Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz NRW vom 17.12.2005, GV NRW 2015, S. 886; zum Zivüschutz s. § 1 des Gesetzes über den Zivilschutz und die Kataströphenhilfe des Bundes) beziehen, bezieht sich die Gefahrenabwehr in Bezug auf die in Erwägung 28 der Richtlinie 2014/24/EU explizit angesprochenen Rettungsdienste mit Ausnahme der Einsätze von Krankenwagen zur Patientenbeförderung außerhalb des Zivilund Katastrophenschutzes auf alltägliche Gefahren für Leben, Leib und Gesundheit.

Offen gelassen wird, ob die ausgeschriebenen Dienstleistungen für den qualifizierten Krankentransport unter § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB fallen, Zwar könnte der Erwägungsgrund 28 der Richtlinie 2014/24/EU mit der Formulierung, dass für Dienstleistungen, die ausschließlich (Hervorhebung durch die Vergabekammer) dem Einsatz von Krankenwagen zur Patientenbeförderung dienen, nicht die Bereichsausnahme, sondern die Sonderregelung gemäß Art. 74 ff. der Richtlinie gilt, für eine Erfassung qualifizierter Krankentransporte durch die Bereichsausnahme sprechen. Denn qualifizierte Krankentransporte sind solche, die eine besondere medizinische Ausstattung der Krankentransportwagen sowie eine Besetzung mit medizinisch geschultem Personal, erfordern, Auch sie dienen primär der Beförderung und nicht der Durchführung notfallmedizinischer Rettungsmaßnahmen parallel zürn Transport. Dennoch kann es sein, dass sich aufgrund der Gesundheitslage des Patienten beim qualifizierten Krankentransport eine Situation ergibt, die eine medizinische (Notfall-). Behandlung erfordert. Somit dient der qualifizierte Krankentransport nicht in allen Fällen ausschließlich der Beförderung,

Der Wortlaut des Erwäguhgsgrundes 28 der Richtlinie 2014/24/EÜ spricht gegen die Einordnung des qualifizierten Krankentransportes unter die Bereichsausnahme; dort heißt es, der Einsatz von Krankenwagen zur Patientenbeförderung soll nicht ausgenommen sein. Soweit ersichtlich, werden reine Krankentransporte oftmals nicht durch Krankenwagen durchgeführt, sondern durch Taxis oder Mietwagen, teils mit Liegeyomchtung. Das spricht dafür, dass mit Krankenwagen die speziell ausgerüsteten Krankentransportwagen gemeint sind, die gemäß Erwägungsgrund 28 der Richtlinie nicht unter die Ausnahme fallen sollen. Das ließe sich darauf stützen, dass § 3 Abs. 1 Rettungsgesetz NRW unter den Begriff Krankenkraftwagen besonders eingerichtete Fahrzeuge für die Notfallrettung oder den Krankentransport fasst. Wenn man davon ausgeht, dass sich Erwägungsgrund 28 auf solche Kranken (kraft)wagen bezieht, dann kann das dafür sprechen, dass die Art von Kranken (kraft)wagen, die für den Krankentransport vorgesehen ist, von der Bereichsausnahme ausgenommen sind.

Ferner ist zweifelhaft, ob der qualifizierte Krankentransport als Dienstleistung der Gefahrenabwehr zu werten ist. Die grundsätzliche Prägung des Krankentransports ist nicht durch eine Gefahrensituation gekennzeichnet. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 3 und 4 Rettungsgesetz NRW. Danach dient der qualifizierte Krankentransport primär der medizinisch fachgerechten Betreuung von Patienten, die sich nicht in. einer Notfalllage befinden. Zwar mag eine Gefahrensituation für Leib oder Leben entstehen, wenn der Transport in einen Notfall umschlägt. Das dürfte aber nur eine geringere Zahl der Transporte betreffen.-Ob die geringe Zahl der Fälle, in denen der qualifizierte Krankentransport in eine Notfallsituation der Gefahrenabwehr umschlägt, äusreicht, um den qualifizierten Krankentransport unter das Tatbestandsmerkmal der Gefahrenabwehr zu subsumieren, ist zweifelhaft.

Schließlich betont der Erwägungsgruhd 28 der Richtlinie 2014/24/EU, dass die Bereichsausnahme auf das notwendigste Maß beschränkt sein soll. Würde man den qualifizierten Krankentransport ebenfalls unter die Bereichsausnahme fassen, würde

man Dienstleistungen, bei denen der Transport zwar nicht der ausschließliche, aber doch der primäre Inhalt und Zweck ist, unter die Bereichsausnahme fassen und deren Anwendungsbereich damit recht weit ausdehnen.

Die Entscheidung kann hier offen gelassen werden, weil es auf die Einordnung im vorliegenden Fall nicht ankommt.

Auch wenn man davon ausgeht, dass der qualifizierte Krankentransport nicht von der Bereichsausnahme erfasst ist, fallen die Aufträge im vorliegenden-Fall gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 1 GWB vollständig unter die Bereichsausnahme. Gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 1 GWB unterfallen öffentliche Aufträge, die sich teils auf Dienstleistungen. ; beziehen, die der Sonderregelung für soziale und andere besondere Dienstleistungen unterfallen, und teils auf nicht näher bestimmte andere Dienstleistungen, den Vorschriften, die für den Hauptgegenstand gelten. „Soziale Dienstleistungen“, für die die Sonderregelung des § 130 GWB gilt, sind hier – wenn man davon ausgeht, dass sie nicht von der. Bereichsausnahme erfasst sind – die qualifizierten Krankentransporte (CPV-Nr. 75252000-7 gemäß Anhang 14 der Richtlinie 2014/24/EU: Rettungsdienstleistungen, soweit sie nicht nach £rt. 10 Buchstabe, h ausgeschlossen sind). „Andere Dienstleistungen“ wären im vorliegenden Fall die Notfallretturigsdienstleistungen, die nicht soziale Dienstleistungen im Sinne von § 130 GWB sind, weil Anhang 14 der Richtlinie 2014/24 EU die unter der Bereichsausnahme erfassten Rettungsdienstleistungen explizit nicht erfasst.

Der Hauptgegenstand bestimmt sich gemäß § 110 Abs. 2 GWB danach, welcher Leistungswert höher ist. Dies ist hier nach Auskunft aller Beigeladenen der Wert der notfallrettungsdienstlichen Leistungen. Damit bestimmt das Recht, das auf die notfallrettungsdiehstlichen Leistungen anwendbar ist, den vorliegenden Auftrag, so dass die Bereichsausnahme auf diesem Wege umfassend eingreift.

Dass hier entgegen der Auffassung der Antragstelierinnen der § 110 Abs. 2 Nr. 1 GWB für die Bestimmung der anwendbaren Vorschriften und nicht der § 1 i1 Abs. 3 Nr. 5 GWB heranzuziehen ist, ergibt sich daraus, dass der Erwägungsgrund 28 der Richtlinie 2014/24/EU besagt, dass auch gemischte Aufträge (reiner Krankentransport und Rettungsdienst) unter die Sonderregelung für den reinen Krankentransport fallen, wenn dessen Wert überwiegt. Darauf bezieht sich auch die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 107 GWB (Bundestags-Drucks. 18/8281 S. 79). Das bedeutet, die Bestimmung der anwendbaren Vorschriften richtet sich bei gemischten Aufträgen, bei denen ein Teil der Sonderregelung für soziale und andere besondere Dienstleistungen unterfällt und der andere Teil als Notfallrettuhgsdienstleistung ganz vom Anwendungsbereich der Richtlinie bzw. des GWB ausgenommen ist, nach dem Wert der verschiedenen Leistungen, also nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Rieht- linie bzw. § 110 GWB. Dieses Ergebnis wird auch vom Wortlaut des §110 GWB getragen. Denn § 110 Abs. 2 Nr. 1 GWB unterscheidet zwischen sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen, für die eine Sonderregelung gilt, und (unbestimmten) anderen Dienstleistungen. Die anderen Dienstleistungen sind hier die vom Anwendungsbereich des GWB ausgenommenen Notfallrettungsdienstleistungen.

Aus diesem Grunde ist die Vorschrift des § 111 Abs. 5 GWB, auf die sich die Antragsgegnerinnen mit dem Argument berufen, die Notfallrettungsdienstleistungen und die Krankentransportdienstleistungen hätten in zwei Lose aufgeteilt werden müssen, nicht anwendbar. Eine regionale Losaufteilung nach dem Standort der Rettungswachen hat stattgefunden, so dass dem Gebot des § 97 Abs: 4 GWB Rechnung getragen wurde.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) sind ebenso wie die vierte von der Antragsgegnerin zur Angebotsabgabe aufgeforderte Hilfsorganisation gemeinnützige Organisationen im Sinne des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Was gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB sind, ergibt sich aus der .Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucks. 18/6281, S. 79). Es sind nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzofganisatiönen anerkannte Hilfsorganisationen. Beispielhaft wird § 26 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes genannt, ln § 26 Abs. 1 des ZSKG ebenso wie in der Gesetzesbegründung sind explizit als anerkannte Hilfsorganisationen genannt die Beigeladenen zu 1) bis 3) sowie die Johanniter-Unfall-Hilfe, die als vierte Hilfsorganisation zur Angebotsabgabe aufgefordert wurde.

Für die Definition der gemeinnützigen Organisation oder Vereinigung ist nationales Recht ausschlaggebend. Die Richtlinie 2014/24/EU definiert nicht selbst, was eine gemeinnützige Organisation oder Vereinigung ist. Insbesondere kann dafür nicht auf Art, 77 Abs. 2 zurückgegriffen werden, da dieser sich auf einen völlig anderen Regelungszusammenhang bezieht. Zudem dient die Bereichsausnahme gerade dazu, die nationalen gemeinnützigen Organisationen und Vereinigungen vor einem grenzüberschreitenden Wettbewerb zu schützen. Das bedeutet, die Definition der gemeinnützigen Organisation oder Vereinigung richtet sich nach nationalem Recht.

Eine Verletzung grundlegender EU-Freiheiten, die die Antragsgegnerinnen anführen, und die zur Unwirksamkeit des freihändigen Vergabeverfahrens führen könnten, liegt hier nicht vor. Da der Sachverhalt unter die Bereichsausnahme fällt, scheidet ein Verstoß gegen, die Diehstleistungs- und die Niederlassungsfreiheit sowie das Diskriminierungsverbot aus. Diesbezüglich besteht kein Zweifel, der eine Vorlage an den EuGH erfordern könnte. Der EuGH hat in verschiedenen ähnlichen Fällen bereitsentschieden hat, dass die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gemäß Art. 49, 56 AEUV nationalen Regelungen, die eine Direktvergabe von Krankentransportdienstieistungen an Freiwilligenorganisationen gestatten, nicht entgegenstehen, wenn der rechtliche und vertragliche Rahmen, in dem die Organisationen tätig sind, den sozialen Zweck der Bevorzugung, nämlich die Gewährleistung einer allen jederzeit zugänglichen, ausgewogenen und hochwertigen Krankenhausversorgung mit beherrschbaren Kosten,, wahrt. (EuGH vom 28.01.2016 C 50/14, EuGH vom 11.12.2014 C-113/13), Diese Rechtsprechung spiegelt sich in Art. 10h der Richtlinie 2014/24/EU sowie deren Erwägungsgrund 28 wider. § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB setzt diese Richtlinienbestimmung in deutsches Recht um. Es ist daher aufgrund der zitierten Rechtsprechung des EuGH davon auszugehen, dass eine, Vorlage zu keinem anderen Ergebnis führen würde. Da keine Umstände zutage getreten sind, die Zweifel daran wecken, dass die Beigeladenen zu 1) und 3) im allgemeinen sowie die Gestaltung der geschlossenen Verträge im Konkreten den sozialen Zweck der Bevorzugung und die Haushaltseffizienz wahren, greifen die Bedenken der Antragstellerinnen im Hinblick auf Art. 49, 56 ÄEUV nicht durch.

Eine Prüfung der von den Antragstellerinnen vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB fällt nicht in den Kompetenzbereich der Vergabekammer. Die Vergabekammern haben keine Verwerfungskompetenz und keine Voriageberechtigung gemäß Art. 100 Abs. 1 GG (s. Vergabekammer Münster VK 24/04 vom 24.09.2004; Vergabekammer Detmold vom 6.08.2013 VK.2 -07/13). Zwar darf auch die Vergabekammer als erste Instanz eines sondergesetzlich geregelten Rechtsweges nicht gezwungen sein, Entscheidungen auf der Basis einer von ihr für verfassungswidrig gehaltenen Norm zu treffen, so dass in einem ggf. auftretenden Fall über eine analoge Anwendung des Art. 100 Abs. 1 GG im Hinblick auf die funktional-materiell einem Urteil entsprechenden Beschlüsse der Vergabekammer nachzudenken wäre. Im vorliegenden konkreten Fall hat die Kammer solche Bedenken jedoch nicht; Die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB ist nicht als Verbot formuliert, Rettungsdienstleistungen im Wettbewerb an nicht gemeinnützige Unternehmen zu vergeben. Ausgenommen von der Ausnahme ist zudem der gesamte Bereich der Krankentransporte. Es wird daher einer Beobachtungsphase bedürfen, um festzustellen, ob die Ausnahmevorschrift in der praktischen Anwendung tatsächlich die Berufsausübungsfreiheit in relevantem Ausmaß beschneiden, wird.

Nicht weiter zu prüfen ist ferner der Vortrag der Antragstellerinnen, nach dem hier durch die Bevorzugung gemeinnütziger Hilfsorganisationen eine rechtswidrige Beihilfe vorliege. Da die Bevorzugung auf die Richtlinie 2014/24/EU zurückgeht und § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB den Tatbestand wörtlich übernommen hat, scheidet eine rechtswidrige Beihilfe aus.

Soweit die Antragstellerinnen sich auf Vorschriften berufen, die in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu prüfen wären (§ 58 Abs.1 VwVfG) ist dies nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens. Weiterer Vortrag der Antragstellerinnen zum Ablauf des Vergabeverfahrens, insbesondere zur Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin und zu Ausschlussgründen bezüglich des Beigeladenen zu 3) wird nicht berücksichtigt, weil er für die Entscheidung mit der Feststellung der fehlenden Statthaftigkeit des Antrags keine Relevanz hat.

Soweit die Antragstellerinnen vortragen, in Deutschland werde der Markt für Rettungsdienstleistungen durch vier Hilfsorganisationen beherrscht und dadurch werde der Wettbewerb verzerrt, gilt das vorstehend zu den EU-Freiheiten Gesagte. Die Antragstellerinnen greifen damit die Zweckmäßigkeit der Bereichsausnahme an. Hinter der Bereichsausnahme steht das Ziel, eine flächendeckende rettungsdienstliche Versorgung der Bevölkerung in Katastrophen- und alltäglichen Gefahrensituationen sicherzustellen, die für die Allgemeinheit finanzierbar ist. Wäre dieses Ziel nicht erreichbar, weil die Bereichsausnahme zu einer Monopolstellung der Hilfsorganisationen führt bzw. diese verfestigt, und unbeherrschbare Preissteigerungen die Folge wären, käme ein Verstoß gegen die grundlegenden, dem Vergaberecht zugrundeliegenden EU-Freiheiten und Wettbewerbsgrundsätze in Betracht. Insoweit besteht vorliegend kein Anlass zur Vorlage an den EuGH. Zwar ist die Bereichsausnahme geeignet, den privilegierten gemeinnützigen Organisationen eine Monopolstellung im Rettungsdienst zu verschaffen oder diese zu bestätigen. Dies ist jedoch die in Kauf genommene Folge der Richtlinie und ihrer Umsetzung in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB, und zwar in der Annahme, dass dadurch die Finanzierbarkeit des Systems nicht gemindert wird. Da die vorliegende freihändige Vergabe keinerlei Grund bietet, die Eignung der Bereichsausnahme zu diesem Zweck in Frage zu stellen, besteht kein Anlass für eine Vorlage an den EuGH. Die Ausschreibung hat zu einem Wettbewerb unter den Beigeladenen zu 1) bis 2) geführt. Die Antragsgegnerin hat sich laut Vermerk vom 25.05.2016 (Blatt 096 f. der Vergabeakte) ausführlich mit den Angeboten für das Los 1 auseinandergesetzt. Dabei hat sie sich unter Verweis darauf, dass die Krankenkassen ansonsten die Gebühren; als unwirtschaftlich teils zurückweisen könnten, für das kostengünstigste Angebot entschieden. Bezüglich Los 2, auf das nur der Beigelädene zu 3) geboten hat, ergibt sich aus einer Aufstellung in der Vergabeakte (Blatt 002), dass die Kosten, heruntergebrochen auf eine Wochenvorhaltestunde nicht höher liegen als für Los 1. Auch diesbezüglich ist daher kein Anhaltspunkt gegeben, der. auf eine Preisdiktatur hindeuten könnte. Zudem haben die Öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit, von der Bereichsausnahme keinen Gebrauch zu machen, wenn diese ersichtlich Preissteigerungen zur Folge hätte.

Die von den Antragstellerinnen angesprochene Problematik einer monopolpasierten Preisdiktatur findet zudem ihre Grenze in den Anforderungen an die Gemeinnützigkeit. Nach § 52 AO setzt Gemeinnützigkeit die selbstlose Erfüllung von der Allgemeinheit zugutekommenden Aufgaben voraus. Selbstlosigkeit setzt nach § 55 AO voraus, dass die Tätigkeit nicht in erster Linie wirtschaftliche Zwecke verfolgen darf und stellt mehrere weitere Bedingungen auf, die sowohl den Vermögenseinsat^ als auch die Geschäftstätigkeit binden. Gemeinnützigkeit wird nach vorheriger Steuerrechtlicher Prüfung der Verfassung und der Satzungszwecke eines Vereins zuerkannt. In regelmäßigen Abständen wird geprüft, ob die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung fortbestehen} bei veränderten Verhältnissen, z.B! bei Satzungsänderungen, Änderungen des Vereinszwecks, Veränderungen der Geschäftstätigkeiten, ist die gemeinnützige Einrichtung verpflichtet, dies den zuständigen Finanzbehörden von sich aus kurzfristig anzuzeigen. Zudem sind gemeinnützige Organisationen verpflichtet, durch Vorlage von Geschäftsberichten bei den zuständigen Behörden nachzuweisen, dass sie ihre satzungsmäßigen Zwecke weiterhin gemeinnützig erfüllen. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr vor, kann die Gemeinnützigkeit aberkannt werden, was üblicherweise auch geschieht. Eine einmal zuerkannte Gemeinnützigkeit ist daher nicht unerschütterlich. Sobald die gemeinnützige in eine gewinhorientierte oder den daheben bestehenden Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nicht mehr genügende Wirtschaftstätigkeit umgewandelt wird, muss die betreffende Einrichtung jederzeit mit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit rechnen. Die vergaberechtliche Folge wäre, dass diese Einrichtung bei Vergäben unter Berufung auf § 107 GWB nicht mehr berücksichtigt werden dürfte. Ein betriebswirtschaftliches Gewinnstreben, insbesondere unter Ausnutzung von Monopolstellungen, der hier angesprochenen Hilfsorganisationen würde daher im Ergebnis dazu führen, dass sie sich den Zugang zu dem hier gerade gewollten Vorteil für dje gemeinnützigen Organisationen selbst verschließen würden.

2. Die Hilfsanträge

Der Hilfsantrag zu 3) ist ebenfalls unzulässig, da auch eine Entscheidung gemäß § 168 Abs. T Satz 2 GWB voraussetzt, dass das Nachprüfungsverfahren statthaft ist. Dies ist aufgrund der Bereichsausnahme nicht der Fall.

Der Hilfsantrag zu 4) ist unzulässig, da die Vergabekammer kein Gericht ist und daher den Rechtsstreit nicht gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges verweisen kann (s. Vergabekammer Baden-Württemberg vom 25.07.2014 – 1 VK 29/14 und die darin zitierte Rechtsprechung). Sie kann im Bedarfsfall lediglich auf das zuständige Gericht bzw. den richtigen Rechtsweg hin- weisen.

3. Akteneinsicht

Für die Beurteilung der Frage, ob der Nachprüfungsantrag statthaft ist, war eine Akteneinsicht der Beteiligten zur Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nicht erforderlich. Der hierfür maßgebliche Sachverhalt – die Identität der Beigeladenen, die Art der ausgeschriebenen Dienstleistungen und das .proportionale Verhältnis der Preise für die Notfallrettungsdienstleistungen und die Kränkentransport- dienstleistungen war den Antragstellerinnen bereits bekannt bzw. ergab sich aus den ihnen zur Kenntnis gegebenen Schriftsätzen der Antragsgegnerin und der Antworten der Beigeladenen auf die Frage nach dem Wert der Dienstleistungen für die Nqtfallrettung und den Krankentransport. Die Antragstellehnnen erhielten zudem im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Einsicht in die Vergabeakte. Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot des § 167 GWB hat die Vergabekammer die.Anträge auf Akteneinsicht daher abgelehnt.

4. Verzicht auf mündliche Verhandlung

Die Kammer durfte gemäß § 166 Abs. 1 Satz 3 GWB ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 182 GWB.

Die Kostentragungspflicht der Antragstellerinnen beruht auf § 182 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 GWB, da ihr Nachprüfungsantrag keinen Erfoig hat. Ihre gesamtschuldnerische Haftung für die Verfahrenskosten beruht auf § 182 Abs. 3 Satz 2 GWB. Die teilschuldnerische Haftung nach Kopfteiien für die Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen beruht auf § 100 Abs. 1 ZPO analog.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben sich mit Schriftsätzen am Verfahren beteiligt und dabei insbesondere zu Fragen der Vergabekammer Stellung genommen. Daher haben aus Gründen der Billigkeit die Antragstellerinnen gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwen1 düngen der Beigeladenen zu 1) bis 3) zu tragen.

Für die Bemessung der Gebühren innerhalb des durch § 182 GWB vorgegebenen Rahmens wurde auf die von der Kammer ständig angewandte. Gebührenstaffel der Vergabekammer Arnsberg zurückgegriffen. Der Auftragswert wird gemäß § 3 Abs. 1 VGV hier mit ca. 13 Mio. Euro angesetzt (jährliche Auftragssumme für die beiden angegriffenen Lose 1 und 2 auf der Basis des erteilten Zuschlags mal fünf Jahre Laufzeit, genaue Angabe unterbleibt zum Schutz des weiteren Wettbewerbs). Anhand der Gebührenstaffel ergibt sich eine Gebühr von 6.700 Euro. In Anbetracht des auf die Prüfung der Zulässigkeit beschränkten Aufwandes wird diese Gebühr gemäß § 182 Abs. 3 Satz 6 GWB auf 3.350 Euro reduziert. Eine weitere Kürzungist mit Blick auf den Bearbeitungsaufwand und die Komplexität der rechtlichen Materie nicht, gerechtfertigt.

Zu den notwendigen Aufwendungen der Antragstellerinnen und der Beigeladenen gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB.i.V.m. § 80 Abs. 2 und Abs.‘ 3 Satz 2 VwVfG gehören in diesem Fall auch die Kosten für die Beiziehung eines Rechtsanwaltes. Der Schwerpunkt ihrer unternehmerischen Tätigkeiten liegt nicht in der Durchführung von streitigen juristischen Verfahren. Für die Beigeladenen zu 1) und 3) ergibt Sich die Notwendigkeit der Beiziehung eines Rechtsanwalts ergänzend daraus, dass die Wirksamkeit der Aufträge, die sie erhalten haben, angegriffen wurde. Für die Beigeladehe zu 2) ergibt sich die Notwendigkeit der Beiziehung eines Rechtsanwalts ergänzend daraus, dass die Entscheidung der Vergabekammer sich auf die von ihr eingeleiteten verwaltungsgerichtlichen Verfahren auswirkt.

IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig.

Sie ist binnen einer Notfrist von 2 (zwei) Wochen, die mit der Zustellung dieser Entscheidung beginnt, schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Gecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Sie muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.

Von der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten.


ENDE DER ENTSCHEIDUNG